Betreff: Ist UMTS Mobilfunk noch zeitgemäß?
Von: Alfred Tittmann

 

HLV INFO 74/AT

12-07-2006

 


Einsporn 30-06-07

 

Ist UMTS-Mobilfunk noch zeitgemäß ?

 

Der Mobilfunk boomt – der Widerstand gegen Mobilfunk boomt ebenfalls

Mobilfunkstrahlen sind Schadstoffe - ihrer Ausbreitung müssen Grenzen gesetzt werden.

 

Dipl.-Ing. Otto Einsporn VDI                        30.06.2006                                                 Seite 1 / 3

 

Unter dem Druck milliardenschwerer Entwicklungs- und Markteinführungskosten – darunter über 50 Milliarden Euro Lizenzgebühren – forcieren die Mobilfunkbetreiber aggressiv den Ausbau ihrer UMTS-Mobilfunknetze. Sie sind gezwungen, einen kostendeckenden Umsatz zu erzielen, bevor die schnelle technische Entwicklung neuer Mobilfunkgenerationen die UMTS-Generation überholt und ihren Marktanteil zurückdrängt. Zwei von anfangs sechs Lizenznehmern sind bereits ausgeschieden und in Deutschland nur noch T-Mobil, Vodafone, E-Plus und O2 auf dem Markt.

 

Auf dem hart umkämpften Markt für mobile Kommunikation sieht UMTS nicht gut aus.

 

„Kaum Chancen auf gute Geschäfte“ schreibt www.spiegel.de/wirtschaft im Juni 2004. Nach Einschätzung des Marktforschungsinstituts Forrester wird bis 2008 nur noch jeder fünfte Mobilfunkkunde ein UMTS-Handy besitzen.

 

Der Vorstandschef Kai-Uwe Ricke, erklärte der Presse am 28.01.2004: Die Deutsche Telekom plant die Wiederaufwertung des Festnetzanschlusses durch das Breitband-Internetangebot über DSL, Integration von VoIP (Voice over InternetProtokoll) und Verbesserung von WLAN durch WIMAX. Mit einer gegenüber UMTS mehrtausendfach höheren Übertragungsrate kann heute ein Mobilfunkkunde diese Dienste an jedem mit dem Internet verbundenen Ort in der Welt zu den Tarifen des heimischen Festnetztelefonanschlusses in Anspruch nehmen.

 

Der Vorstandschef von Siemens, Klaus Kleinfeld, verkündete jetzt im Juni 2006 die Fusion der Siemens-Netzwerksparte mit der des finnischen Konkurrenten Nokia unter Führung der Nordländer. Durch Technologiesprünge und neue Entwicklungen sei ein erheblicher Sanierungsbedarf entstanden. Er glaubt nicht mehr daran, dass Siemens aus eigener Kraft die Netzwerksparte sanieren kann. Bislang war die spektakuläre Übergabe der Siemens Handy-Sparte an BenQ aus Taiwan die dramatischste Aktion.

 

Die Branche besinnt sich zunehmend wieder auf vorhandene Infrastrukturen und rüstet diese mit wirtschaftlichem Kostenaufwand zu derzeit technisch weit überlegenen mobilen Kommunkationssystemen auf. Dagegen mussten und müssen die Mobilfunkantennen-Netzbetreiber ihre UMTS-Infrastruktur mit Milliardenaufwand zu einem flächendeckenden Antennen-Netzwerk ausbauen, das absehbar an seine technischen Grenzen hinsichtlich Übertragungskapazität und –qualität stößt. Unter Missachtung der Vereinbarung zwischen den Mobilfunkbetreibern und den Kommunen zur Zusammenarbeit beim Mobilfunknetzausbau und entgegen der Selbstverpflichtungserklärung der Mobilfunkbetreiber, die Sorgen der Bürger um ihre Gesundheit ernst zu nehmen, werden dem UMTS-Mobilfunknetzausbau ausschließlich die schnellstmögliche technische Realisierbarkeit und der größtmögliche wirtschaftliche Ertrag zugrunde gelegt.

 

Die Missachtung der Gesundheitsbesorgnisse der Bürger hat zunehmend negative Folgen für die Mobilfunkbetreiber:

 

 

Ist UMTS-Mobilfunk noch zeitgemäß ?

Dipl.-Ing. Otto Einsporn VDI                                30.06.2006                                  Seite 2 / 3

 

Im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms hat das Bundesamt für Strahlenschutz das Forschungsprojekt „Ermittlung der Befürchtrungen und Ängste der breiten Öffentlichkeit hinsichtlich möglicher Gefahren der hochfrequenten elektromagnetischen Felder des Mobilfunks“ an das Infas-Institut vergeben. Im Jahresbericht 2003 heißt es dazu: „Die Stimmungslage in der Bevölkerung hinsichtlich Besorgnis und Beeinträchtigung durch elektromagnetische Felder, die von Mobilfunksendeanlagen, Handys oder Schnurlosen Fetsnetztelefonen ausgehen, lag 2003 bei 31%“. Dieses Forschungsergebnis veranlaßte das VerwG Hamburg am 01.07.2003 zu folgender Begründung für den Baustopp einer Mobilfunkantenne: „Wenn sich gut 30% der Bevölkerung starke bzw. sehr starke Sorgen wegen gesundheitlicher Risiken durch Mobilfunkanlagen machen, sind das Ängste und psychische Belastungen, die als nachvollziehbare Empfindung des Durchschnittsbürgers gewertet werden müssen. Derartige Belastungen und Störungen dürfen aber Mobilfunksender als gewerbliche Nutzung nicht auslösen.“  Und das OLG Hamm wie auch das BayObLG stoppten 2002 die Errichtung einer UMTS-Mobilfunkantenne mit der Begründung: „Die derzeit bestehende Ungewissheit, ob und in welchem Maße von Mobilfunkantennen gesundheitliche Gefahren ausgehen, reicht allein für die Annahme einer tatsächlichen Benachteiligung aus, die ein Wohnungseigentümer nach dem Maßstab des §14 Nr.1 WEG nicht hinnehmen muß.“

In den 2004 unter der Schirmherrschaft des hessischen Umweltministeriums durchgeführten Messungen der Strahlenbelastung durch Mobilfunkantennen wurden mit maximal 1,4 V/m = 5000 µW/m² nur ein Bruchteil der zulässigen Grenzwerte von 59,85 V/m = 9.500.000 µW/m² erreicht. „Nach diesen hervorragenden Ergebnissen ist eine Herabsetzung der Grenzwerte für eine Versachlichung der Diskussion unbedingt zu befürworten“ sagte daraufhin der Staatssekretär im Umweltministerium Karl-Winfried Steif. Er wurde von den Mobilfunkbetreibern  umgehend zurückgepfiffen: „Die Herabsetzung der Grenzwerte gefährde  ihre Rechtsposition bei juristischen Auseinandersetzungen!?“. Welch eine zynische Begründung für die hohen Grenzwerte, die nicht unsere Gesundheit sondern die Mobilfunkbetreiber vor Schadenersatzansprüchen schützen und die technisch gar nicht erforderlich sind.

 

An der von der Stiftung VERUM unter Förderung der EU-Kommission und der Regierungen der Schweiz und Finnlands durchgeführten REFLEX-Studie sind 12 Forschungsgruppen aus

7 europäischen Ländern beteiligt. Am Rande des GuHT-Mobilfunkforums am 10. Mai 2006 in München zeigte sich der Studienleiter Prof. Adlkofer außerordentlich zuversichtlich, dass die REFLEX-Studie, wie schon bisher von den Universitäten Berlin, Wien,  Basel und Ulm, von weiteren Labors repliziert werden kann, so dass der geforderte wissenschaftliche Nachweis sicher sei. Darauf angesprochen sagte Prof. Bernhardt, Mitglied des ICNIRP und Berater der Bundesregierung in Sachen Grenzwerte: „Wenn es tatsächlich gelingt, REFLEX im Reagenzglas zu wiederholen, dann haben wir ein Problem. In diesem Falle müsste das Ergebnis mit Tierversuchen verifiziert werden. Ließe sich daraus eine Gefährdung für Menschen ableiten, müssten die Grenzwerte gesenkt werden.“  Nun würde wohl kein rational und unabhängig denkender Wissenschaftler die Forderung nach einer vollständigen wissenschaftlichen Abklärung der Wirkungskette Mobilfunk-Gesundheit erheben und damit dringend gebotene Vorsorgemaßnahmen verzögern, sobald aus Untersuchungen wie der REFLEX-Studie schlüssige Verdachtsmomente für Gesundheitsgefährdungen  vorliegen. Aber Prof. Bernhardt sagte ja schon in einem Spiegel-Interview: „Mit einer Senkung der Grenzwerte macht man die Mobilfunkwirtschaft kaputt“ und disqualifizierte sich damit selbst als unabhängiger Wissenschaftler.

 

 

 

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Über die Gesundheitsbesorgnisse der Bürger hinaus hat der Mobilfunk unerwartete negative gesellschaftliche und soziale Entwicklungen ausgelöst:

 

Die schrankenlose und verantwortungslose Handynutzung durch Jugendliche und Kinder, die dadurch zunehmende Ausbreitung von sinnlosen SMS, von Gewalt- und Pornofilmen und die teilweise ruinöse finanzielle Belastung auch der Eltern haben zu einer derzeit heftig geführten kritischen Risikodiskussion der Handynutzung geführt. Sie reicht von Aufrufen zu einer sinnvollen, verantwortungsbewussten und kostenbewussten Handynutzung bis zum Handy-Verbot an Schulen. Die Mobilfunkbetreiber, die ca 70% ihres Umsatzes mit Kindern und Jugendlichen machen und die durch aggressive Werbung und Power-Verkauf für diese Entwicklung verantwortlich sind, werden sich auf ein zunehmend negatives Image mit allen daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen einstellen müssen.

 

In seinem Beschluß vom 30.03.2006 spricht der BGH ganz unverblümt vom Wertverlust einer Immobilie, sobald auf deren Dach eine Mobilfunkantenne steht. Der Bayrische Rundfunk brachte schon am 11.07.2002 in der Sendung „Antenne auf dem Dach – Immobilienpreis im Keller“: „ ..... in der Zwischenzeit wird auch von Banken dieses Thema sehr ernst genommen. Hier wird darüber nachgedacht, die Beleihungsgrenzen für solche Objekte zu senken mit der Folge, dass sich diese Wertminderungen auf laufende Kredite und Anschlussfinanzierungen auswirken.“

 

In ihrer Ausgabe vom 28.01.2004 berichtet die Süddeutsche Zeitung: Große Unternehmen der Versicherungsbranche (ALLIANZ, HDI) würden Handys als unkalkulierbares Gesundheitsrisiko einstufen. Sie weigerten sich in zunehmenden Maße, Hersteller von Handys oder Mobilfunkantennenbetreiber gegen Schadenersatzklagen zu versichern. Vertreter der beiden größten Versicherungsmakler der Welt, Marsh und AON, bestätigten, dass Versicherungen seit diesem Jahr erstmals „auf breiter Front“ das Strahlenrisiko in ihren Policen ausgeschlossen haben. Nach BGB haften aber nicht die Mobilfunkbetreiber, sondern die Verpächter von Immobilien, auf denen Mobilfunkantennen stehen, für alle Schäden, die von ihrer Immobilie ausgehen. Sie sollten sich über dieses Haftungsrisiko gut informieren.

 

Unterstützung der Kooperation der Mobilfunkakteure durch die Lokale Agenda 21

 

Dieses Forschungsprogramm im Rahmen des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms wurde von Agenda-Transfer in zahlreichen regionalen Workshops mit dem Ergebnis diskutiert: Gut vorbereitete, kommunikationsstarke Kommunen, die die Rahmenbedingungen gestalten, bieten die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Mobilfunkdialog. Im Mittelpunkt stehen dabei die interne Abstimmung der Kommunalverwaltung, der Aufbau von effektiven Arbeits- und Entscheidungsstrukturen sowie die gezielte Information und Kommunikation mit den Bürgern. Die Kommunen müssen bei der Gestaltung des Mobilfunk-Dialogs aktiv werden. Insbesondere in den Bereichen Kommunikation, Information und Prozessmanagement liegen erhebliche Potenziale, die von der Kommune im Hinblick auf eine schnelle Standortfindung genutzt werden können. Alles wichtige Elemente, die einen erfolgreichen Dialog ausmachen und eine bessere Kooperation zwischen Mobilfunkvertretern, Kommunalverwaltung und Bürgern ermöglichen

 

Dazu will die Arbeitsgruppe Mobilfunk in der LA21 Maintal beitragen.