Betreff: Bergmann an LAEK Bremen und Frau Dr. Wenker, Ärztekammer Niedersachsen |
Von: Alfred Tittmann |
Datum: Sun, 13 May 2007 23:43:03 +0200 |
Homöopathie
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Reichsgrafenstr. 28 Tel. 0761 – 55 611 41
79102 Freiburg
Fax 0761 – 50 36 78 17
Herrn Dr. med. Klaus Dieter
Wurche
Präsident der
Landesärztekammer
Schwachhauser Heerstr. 30
Freiburg, den 13.05.2007
Sehr geehrter Herr
Kollege Wurche,
Am 20. bis 21.Juni 2007 findet in der Jacobs University in
Bremen ein Workshop statt „Mobilfunk Reale Gefahr oder Irreale
Diskussion?“
Veranstalter ist die Jacobs University und das
Informationszentrum Mobilfunk.(IZMF).
Referent ist Prof. Lerchl. Laut Ankündigung ist die Veranstaltung von
der Landesärztekammer Bremen als ärztliche Fortbildung mit 6 Punkten
anerkannt.
Ich bitte Sie
zu prüfen, ob diese Veranstaltung der ärztlichen Berufsordnung und
Fortbildungsordnung entspricht und frei von industriellen Interessen
der Gesundheitsvorsorge und dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dient.
Ich verweise dazu auf mein Schreiben an Sie vom 23.4.07 und das
dabei mitgeschickte Schreiben von mir an Frau Dr. Wenker
„Menschendienliche Fortbildung und Mobilfunk.“
Der Titel der Veranstaltung läßt befürchten, dass über die
bisher von mir kritisierte Einseitigkeit und die Verharmlosung der
Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkfrequenzen auf Veranstaltungen des
IZMF hinaus die wissenschaftliche Kritik an
dieser Art Veranstaltungen und die ärztliche Beobachtung und die
Erfahrungen von erkrankten Menschen in die Ecke einer irrealen
Diskussion verschoben wird ebenso wie die Notwendigkeit
von Vorsorge und ärztlichem Handeln angesichts der Schädigung von
Mensch und Natur durch Mobilfunkfrequenzen.
Dies würde zu dem Tenor eines kürzlich veröffentlichen
Spiegelartikels passen („Mobilfunk: Der Hamster ist Zeuge“, Spiegel 18 / 2007), indem sich der
Autor auf zynische Weise lustig macht über Elektrosensibilität
als eingebildete Krankheit und über kritische Wissenschaftler und Ärzte
als fundamentalistische Einzelkämpfer.
Frau Dr. Herr, ebenfalls wie Prof.Lerchl Referentin auf
Veranstaltungen des IZMF, spricht in einem Artikel in Umwelt,
Forschung, Praxis 12(1) 5 (2007) gar davon, dass in Ärzteappellen
„gebetsmühlenartig“ über Gesundheistgefahren durch Mobilfunk berichtet
wird. Und sie spricht von „Polemikern und
Panikmachern.“
Und sie fordert für ihr Vorgehen die „Unterstützung der
organisierten Ärzteschaft.“
Ich fürchte, dass es dem IZMF erneut
gelungen ist, mit den 6 Punkten für die Bremer Veranstaltung genau
diese erhoffte Unterstützung, diesmal durch
die Ärztekammer Bremen, bekommen zu haben. Während gleichzeitig der Ton
der Veranstaltungen und Veröffentlichungen offensichtlich verschärft
wird in Richtung Diffamierung von Betroffenen und Kritikern.
Ich möchte Sie bitten, sich dafür
einzusetzen, dass dies nicht mit Unterstützung Ihrer Ärztekammer
geschieht.
Ich würde mich sehr über eine Antwort von Ihnen freuen.
Mit freundlichen Grüßen
P.S.: Ich erlaube mir, diesen Brief als offenen Brief u.a. auch an die Bundesärztekammer und an Frau Dr. Wenker zu schicken. W.B.
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Homöopathie
Reichsgrafenstr. 28 Tel. 0761 – 55 611 41
79102 Freiburg
Fax 0761 – 50 36 78 17
Präsidentin der Ärztekammer
Niedersachsen
Berliner Allee 20
Freiburg, den 13.05.2007
Offener Brief an Frau Dr.
med. Martina Wenker, Vorsitzende des Ausschusses Gesundheit und Umwelt
bei der Bundesärztekammer.
Betr.: Menschendienliche
Fortbildung und Mobilfunk
Sehr geehrte Frau
Kollegin Wenker,
ich bedanke mich
für Ihre rasche und ausführliche Antwort auf meine
Kritik an den Fortbildungsveranstaltungen der Mobilfunkindustrie
für Ärzte und auf meinen Appell, dafür keine Fortbildungspunkte mehr zu vergeben.
Sie schreiben in Ihrem Brief vom 16.1.2007, dass derartige
Veranstaltungen einer verbesserten Risikokommunikation dienen sollen.
Dass man sich dort kritisch austauschen und Probleme miteinander
diskutieren kann und muß. Und dass ein „Verbot“ solcher Veranstaltungen
eine schlechte Alternative zu diesem Anliegen sei. In ähnlichem Sinne
schrieb mir Frau Kollegin Stüwe, Präsidentin der Ärztekammer Hessen,
ich möge bedenken, „dass die Anerkennung
von Fortbildungsmaßnahmen kein Verfahren der Zensur sein darf.“
Es geht mir nicht um ein Verbot oder eine Zensur, sondern um
eine dringend notwendige ärztliche Position in der Frage einer
Kollision zwischen Gesundheits-interessen der Bevölkerung, ärztlicher
Ethik, Berufspflicht und ärztlicher Fortbildungs-ordnung einerseits und
wirtschaftlichen Interessen der Mobilfunkindustrie andererseits.
Wie ich in meinen Kritiken an den Veranstaltungen des IZMF
geschildert habe, wird der falsche, wissenschaftlich und aus der
Erfahrung widerlegte Eindruck erweckt, als gäbe es Entwarnung in bezug
auf die Frage der Schädigung von Mensch und Natur durch
Mobilfunkfrequenzen.
Die von der Industrie massiv gestarteten „Fortbildungen“ für
Ärzte, Lehrer, Schulen,
Politiker und Pressevertreter fallen zeitlich zusammen
mit dem ungezügelten Ausbau immer neuer,
ungeprüfter Mobilfunktechnologien und den sich gleichzeitig immer mehr
häufenden Beobachtungen von schweren Schäden in der belebten Natur.
Mir ist wichtig, in diesem Zusammenhang an
einige Aspekte zu erinnern:
--- Prof.Jürgen Bernhard,
führendes Mitglied der ICNIRP, zeitweiliger Vorsitzender der Strahlenschutzkommission, über viele Jahre
Berater des Umweltministeriums, verantwortlich für die Verankerung der
Grenzwerte für Mobilfunkbelastung bei den
politischen Behörden und in der Bundesgesetzgebung, erklärte auf
gezielte Fragen: „Einige Hochfrequenzfelder können die biochemische
Informationsverarbeitung an der Zellmembran
beeinflussen...Es gibt auch Hinweise auf krebsfördernde Wirkungen.“ Auf
die Frage,warum dann nicht die Grenzwerte
geändert werden: „Dann wird der Standort Deutschland gefährdet. Wenn man jeder
Hypothese nachgeht und Grenzwerte reduziert, dann macht man die
Wirtschaft kaputt.“
--- Vor Übernahme der ICNIRP-Werte schrieb die
Strahlenschutzkommission im Bundesanzeiger 43 vom 3.3.1992: „Über
spezielle Effekte, die nicht auf Erwärmung beruhen, wird...berichtet.
Die Membraneffekte wurden vielfach bestätigt, sodass ihre Existenz
heute als gesichert gilt. Hervorzuheben
ist, dass die SAR-Werte...erheblich unterhalb thermisch relevanter
Intensitäten liegen.“
--- Noch 1999 stellte die
WHO in einer Broschüre fest: „Keine Normierungsbehörde hat
Expositionsrichtlinien mit dem Ziel erlassen, vor langfristigen
gesundheitlichen Auswirkungen wie einem
möglichen Krebsrisiko zu schützen.“
--- Prof. Käs von der
Bundeswehrhochschule München: „Die
Strahlungswerte der Mobilfunknetze liegen
zwar unter den Grenzwerten, aber diese Grenzwerte orientieren sich ja
auch nicht an der Gesundheit.“
--- Prof. Volger (TH Aachen) stellte
2001 fest: „Die Behauptung einer Schutzwirkung (der Grenzwerte) ist als
wissenschaftliche Falschinformation zu bezeichnen. Dies entspricht
rechtlich allen Merkmalen des Betrugs und schließt grobfahrlässige bis
absichtliche Gefährdung und Körperverletzung ein.“
--- In einem
Gutachten an die
neuseeländische Regierung, die die Grenzwerte der ICNIRP
einführen wollte, schrieb Dr. Neil Cherry von der Lincoln Universitiy
in Neuseeland: „Ich zeige klar und schlüssig
auf, dass hier eine Voreingenommenheit besteht gegen die Entdeckung und
gegen die Anerkennung von schädlichen
Wirkungen, die soweit geht, dass die vorhandenen wissenschaftlichen
Studien, welche diese Wirkungen beweisen,
ignoriert werden, und diejenigen, die man
ausgewählt hat, werden falsch dargestellt, falsch interpretiert und
falsch gebraucht.“ (Neil Cherry. „Criticism of the Proposal to adopt the ICNIRP
Guidelines for Cellsites in New Zaeland.“)
Diese wenigen Hinweise
zeigen schon, dass es sich bei dieser Frage nicht um eine besonders
interessante förderungswürdige Kontroverse unter Wissenschaftlern
handelt. Es geht meiner Meinung nach um
knallharte wirtschaftliche Interessen auf der einen Seite. Und um die
Gesundheit der ganzen Bevölkerung und der belebten Natur auf der
anderen Seite.
In meinen Augen kann es nicht angehen,
dass Ärztekammern angesichts dieser Sachlage eine Plattform und
Fortbildungspunkte für Veranstaltungen zur Verfügung
stellen, die in dieser Kontroverse den Industrieinteressen
dienen.
Jetzt endlich schreibt das Deutsche
Ärzteblatt (Nr.12, 23.3.07) einen längst überfälligen Artikel über die
Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und Tabakindustrie. In
Sachen Mobilfunk sind sowohl die Wirtschaftsinteressen wie die Schädigung von Mensch und Natur um viele
Dimensionen größer als bei der Frage der Gesundheitsschädigung durch
Rauchen.
Zur Frage eines „Verbots“ oder einer
„Zensur“: es klingt aus Ihrem Schreiben und dem von Frau Kollegin Stüwe
für mich so, als müßte die
wissenschaftliche Meinungsfreiheit verteidigt werden gegen
ungerechtfertigte ärztliche Kritik. Das stellt nach meiner Erfahrung
die Verhältnisse allerdings völlig auf den Kopf.
Auch hier möchte ich zur Klärung an
Einiges erinnern:
--- Dr. Carlo forschte im
Auftrag der amerikanischen Mobilfunkindustrie (ein 28 Mio Dollarprojekt
über 6 Jahre). Als die Studien einen Zusammenhang von Mobilfunk und
Krebserkrankung ergaben, wurde Dr. Carlo die Veröffentlichung
untersagt, er wurde diffamiert. Sein Haus brannte bis auf die
Grundmauern ab.
--- Prof. Semm forschte
im Auftrag der DeutschenTelecom. Als seine
selbst von der Telecom als einwandfrei klassifizierten Studien den
Nachweis von schweren Schäden an Tieren ergaben, wurde ihm die
Veröffentlichung verboten. Er wurde
entlassen, als er sich nicht daran hielt.
--- Prof. L. von Klitzing
wurde von der Universität Lübeck entlassen, als er seine
Forschungen über EEG Veränderungen
bei ganz geringen Feldstärken nicht verschweigen wollte.
--- Die deutsche
Übersetzung des Buches von R.C. Kane „Cellular Telephone Russian
Roulett“ verschwand einen Tag nach ihrem Erscheinen spurlos vom
deutschen Markt. Kane war als leitender Manager bei einem
Telecomkonzern an der Entwicklung der Mobilfunktelefone maßgeblich
beteiligt. Heute ist er einer der Kläger, die die Mobilfunkindustrie
der USA wegen Körperverletzung verklagen. Als Insider beschreibt er,
wie die Industrie unliebsames Wissen zurückgehalten hat und die dabei
verwendeten Methoden.
--- Prof. Antonietti,
Leiter des Max Planck Instituts in Golm, machte die erschreckende
Entdeckung in einem Laborexperiment, dass unter
Handystrahlen Synapsen, die dem Hirn nachgebaut sind, sich bis auf 100
Grad erwärmten. Auf die Frage, ob Handystrahlung demnach gefährlich
fürs Hirn sein könnten, antwortete er, er würde sich hüten, so etwas zu
sagen. „Die Mobilfunkindustrie hat gute Anwälte.“
--- Das Bundesamt für
Strahlenschutz (BfS) führt keine eigenen
Forschungen durch. Initiiert aber
Projekte, die zu 50% von der Mobilfunkindustrie
bezahlt werden. Prof. Wolfram König, Präsident des BfS, stellt zu
seinem „großen Bedauern“ fest, dass „Projekte mit hoher
Priorität“ auf Druck der Netzbetreiber verzögert oder verhindert werden. Das BfS hatte z.B. das Ziel, „die
Möglichkeiten der Minimierung der HF-Exposition der Bevölkerung durch
regionale integrierte Netzplanung zu untersuchen...Leider haben die
Netzbetreiber in diesem Projekt der Zusammenarbeit nicht
zugestimmt...Damit mußte das Projekt gestrichen werden.“ (Fachgespräch
Mobilfunk 3, 28.4.2005)
--- In der Zeitschrift
Message 1/2007 berichtet Uwe Krüger über seine Recherchen bei den
wichtigsten Medien. Die immer gleiche Antwort, warum
sorgfältig recherchierte kritische Artikel und Sendungen, die in den
Redaktionen vorhanden sind, nicht gedruckt bzw. gesendet wurden: das Anzeigengeschäft verbietet so
etwas. Die Mobilfunkindustrie hat
in Deutschland mit den größten Anteil am
Anzeigengeschäft.
--- Der Chefredakteur des
deutschen Ärztebalttes schrieb mir als Antwort auf verschiedene
Leserbriefe, die nicht gedruckt wurden: „Dass
die schädigende Wirkung des Mobilfunks auf lebende Organismen schon bei
sehr geringen Feldstärken weit unterhalb der offiziiellen Grenzwerte
seit Jahrzehnten wissenschaftlich belegt seien, wie Sie schreiben,
werden Sie deshalb im Deutschen Ärzteblatt nicht lesen, zumindest
solange nicht, wie nach Ansicht unabhängiger Experten dies eben gerade
nicht wissenschaftlich belegt ist.“ (Brief vom 27.7.05). Stattdessen
mußte ich feststellen, dass vor
Weihnachten 2006 eine mehrfarbige mehrseitige Anzeige der
Mobilfunkindustrie als Beilage des Deutschen Ärzteblattes an alle
Ärztinnen und Äerzte verschickt wurde. („Business-Angebote: Jetzt in
Ihrem T-Punkt Business.“). Dann druckte das Deutsche Ärztebaltt am
23.2.07 völlig unkritisch fast wörtlich die offizielle Version der
Interphonestudie ab. Und gleich im nächsten Heft durfte Frau Prof. Dr.
Blettner, Nachfolgerin von Prof. Bernhardt in der
Strahlenschutzkommission und wissenschftliche Leiterin der Studie,
ungekürzt und unkommentiert ihre Version darstellen.
--- Schließlich möchte
ich Sie noch auf ein Buch hinweisen: „Späte Lehren aus frühen
Warnungen: Das Vorsorgeprinzip 1896-2000.“ (Hrsg. Umweltbundesamt!)
Dort sind genau die Methoden
beschrieben, wie sie von den jeweiligen Industrien angewandt wurden, um genehme wissenschaftliche Ergebnisse zu
bekommen und unliebsame zu verhindern. (Ob Asbest, Tabak, FCKW, Hormone
in der Tierzucht, radioaktive Strahlung
usw.) Es kam zu Katastrophen, „weil frühzeitige Warnungen...von
den Entscheidungsträgern wegen kurzfristiger wirtschaftlicher und
politischer Interaktionen willentlich
ignoriert wurden.“ (S 196 und 200) Sie können
jede der aufgeführten Methoden heute bei der Mobilfunkthematik
wiederfinden.
Ich denke, dass angesichts der
Abhängigkeit der Forschung von Drittmitteln und angesichts der
beherrschenden Machtposition der Mobilfunkindustrie gerade die
Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit kritischer unabhängiger
Wissenschaftler, Ärzte, Journalisten und Bürger massivst bedroht ist.
Es würde mich freuen, wenn Sie sich mutig für deren Schutz und Stärkung
einsetzen würden.
In diesem Sinne bitte ich Sie
abschließend, nur dann Fortbildungspunkte zu vergeben, wenn die
Veranstaltungen frei von wirtschaftlichen Interessen sind und wenn die
Beachtung der ärztliche Ethik, der Berufsordnung und der
Gesundheitsinteressen der Bevölkerung gewährleistet ist.
Mit großer Freude habe ich
erfahren, dass der Ausschuß Gesundheit und Umwelt
bei der Bundesärztekammer plant, in diesem
Jahr ein Fachgespräch mit unabhängigen mobilfunkkritischen
Wissenschaftlern und Ärzten durchzuführen. Dazu habe ich an Frau Dr.
Engelbrecht, zuständige Dezernatleiterin in der Bundesärztekammmer,
Themenvorschläge geschickt und eine Liste von möglichen Referenten der
„Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und demokratischen
Grundrechten.“
Ich hoffe auf einen konstruktiven unnd
menschendienlichen Dialog und würde mich freuen, wenn wir in dieser
dringenden Frage im Gespräch bleiben könnten.
Mit freundlichen Grüßen