Mobilfunk: Gift fürs Auto

Giftiger Wellensalat

FOCUS 1/2003 30.12.2002 S. 69

 

Das Pannenrisiko durch Elektrosmog wächst - in Tunnels können moderne Fahrzeuge streiken

 

Der Schweizer im Renault Scenic war kurz vor einem Wutausbruch: Als hätte eine Geisterhand am Zündschlüssel gedreht, war der Motor abgestorben, Mitten im drei Kilometer langen Gubrist-Tunnel zwischen Zürich und Bern streikte das Fahrzeug immer wieder -zehnmal hintereinander,

 

Für manchen Winterurlauber könnte die Fahrt durch Alpentunnels zum automobilen Roulette geraten nach der Spielregel: „Geht - geht nicht.“ Ursache des unfreiwilligen Stop-and-go ist offensichtlich elektromagnetische Strahlung, die vor allem moderne, mit Elektronik voll gestopfte Pkws stört.

 

„Die Symptome deuten auf ein elektromagnetisches Phänomen hin, mit dem einige Autofahrer zu kämpfen haben“, bestätigt Daniel Burch, Elektronikexperte beim Touring Club Schweiz (TCS). Der Autoverein schickte bereits unabhängige Prüfer per Messfahrzeug durch den besonders auffälligen Gubrist-Tunnel. „Die Geräte zeigten große Ausschläge in der Stärke von Mobilfunkanlagen und Radiosendern“, bilanziert Burch. Messbar strahlten ebenfalls Polizeifunkanlagen, Kabelstränge, Notrufsäulen oder andere Autos. Im Gegensatz zur normalen Straße, wo sich die elektromagnetischen Strahlen in der Atmosphäre verlieren, werden sie an den Wänden der Röhren reflektiert, schaukeln sich auf und überlagern sich.

 

Das Problem der elektromagnetischen Verträglichkeit, kurz EMV ist Autoherstellern nicht neu. Die Fahrzeugentwickler überprüfen jedes neue Modell in abgeschirmten, Strahlen absorbierenden Hallen. Dabei überlässt es der Gesetzgeber der Vernunft der Firmen, umfassend zu testen. In Europa ist die Richtlinie 95/54 EG maßgebend. Die Störfestigkeit für Frequenzen ab 20 Megahertz muss gewährleistet sein; eine Absicherung gegenüber 50-Hertz-Feldem, wie sie unter dem Wagenboden auftreten können, ist nicht vorgesehen. Elektronikexperte Burch fordert deshalb, die Fahrzeuge auch von unten zu prüfen: „Wer weiß denn schon, wie die Lambda-Sonde im Katalysator oder Sensoren im Getriebe reagieren?“

 

Besonders unbekömmlich scheint der Wellensalat für französische Autos zu sein. Die betroffenen Hersteller vermuten Einzelfälle: „Wir haben den Scenic zurückgenommen und einen neuen Wagen bereitgestellt“, berichtet Renault-Sprecher André Hefti, Zurzeit wird der Van im französischen Stammwerk auseinander genommen.

 

Die Autofinnen betrachten dagegen die Tunnelbetreiber als zumindest mitschuldig. „Die Sendeleistung ist im Tunnel wahrscheinlich zu hoch“, glaubt Bernd Körber, EMV-Ingenieur an der Fachhochschule Zwickau, die auch für den VW-Konzern forscht. „Der Tunnelbetreiber müsste prüfen, ob die installierten Anlagen Störungen verursachen könnten.“

 

Welche Auswirkungen Elektrosmog auch am Zielort haben kann, erfuhr Mercedes-Chef Jürgen Hubbert beim Wirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Um den Funk von Randalierern zu blockieren, hatte man einen Störfunkteppich über die Stadt gelegt – prompt streikte Hubberts S-Klasse- „Mister Mercedes“ musste zu Fuß gehen. Egon Morawietz