Mobilfunk sogar technisch "unausgereift"!

Erstelldatum 10-03-2002 BI - Bürgerwelle Fulda e-mail:  bi-buergerwelle.Fulda@web.de :

Dritter UMTS-Flop droht  

    

Der Sturm kam äußerst ungelegen. Dabei lag das Siemens-Schiff mit den schicken neuen Mobilfunkprodukten an Bord werbewirksam in der Bucht im südfranzösischen Cannes, pünktlich zum illustren Treff der internationalen Mobilfunkelite vor zwei Wochen. Doch über Nacht ging nichts mehr. Der berüchtigte Mistral sorgte für gefährlich hohe Wellen, hielt die Siemens-Manager seekrank unter Deck fest, ließ die Kunden nicht an Bord und kappte zudem die drahtlose Verbindung per UMTS-Funknetz in die Messehallen an Land. Der Mistral als Metapher für den Schiffbruch einer ganzen Branche?

Knapp zwei Jahre nach den ersten Lizenz-Versteigerungen für den Bau des neuen drahtlosen Internets UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), kämpft Europas wichtigste Zukunftsbranche ums Überleben. Damals schauten alle Beteiligten - Telekommunikationsfirmen, Handyhersteller und Netzaufbauer - noch optimistisch in die Zukunft. Denn es galt das Wort von Weltkonzernen wie Ericsson und Nokia: Bereits im Sommer 2002 sei das neue Mobilfunknetz so ausgereift, dass mit der kommerziellen Vermarktung begonnen werden könne. Mit den schönen neuen drahtlosen Multimedianetzen sei nicht nur jeder rund um die Uhr verbunden, auch interaktive Spiele, digitale Fotos und Musik liefere das Netz. Die Verschmelzung der beiden Renner der Neunziger Jahre, des Internets und des Mobiltelefons, führe dazu, dass die mobilen Webzugänge die Zahl der stationären Internetanschlüsse noch im Jahr 2002 überholen werde, so die euphorischen Prognosen.

Ohne Rücksicht auf Verluste stürzten sich die Telekommunikationsfirmen in die Brandung und ersteigerten Lizenzen für die neue Wundertechnik zu Milliardenpreisen. Ein lukratives Schnäppchen für Finanzminister Hans Eichel. Für sechs Funklizenzen kassierte er 50 Milliarden Euro. Das entspricht 614 Euro pro Einwohner. Für die Mobilfunkunternehmen ein milliardenschwerer Schuldenberg.

Wie vom Winde verweht ist die anfängliche Euphorie heute. „Die UMTS-Auktion wird als größter Blödsinn in die Geschichte eingehen,“ prophezeit Jürgen von Kuczkowski, Zentraleuropa-Chef beim Weltmarktführer Vodafone. Vor zwei Jahren ließ der D2-Chef noch als glücklicher Auktionsgewinner die Champagnerkorken knallen.

Verrechnet, vernichtet, verschoben - lautet die Bilanz des mobilen Internets. Der mobile Hochgeschwindigkeitsanschluss kommt nicht wie angekündigt in diesem Jahr, sondern verschiebt sich auf 2003/2004. „Die UMTS-Businesspläne können nicht rechtzeitig realisiert werden,“ ist Debitel-Vorstand Dietrich-Wilhelm Gemmel überzeugt, dessen Unternehmen aus der Auktion frühzeitig ausstieg.

Ein bedrohlicher Sturm peitscht jetzt auch über Norddeutschland hinweg. Ausgerechnet der erfolgsverwöhnte Mobilcom-Chef Gerhard Schmid wird von Anteilseigner France Télécom gegängelt, endlich einen realistischen Geschäftsplan auf den Tisch zu legen. Die Franzosen, selbst in arger Finanznot und mit 28,5 Prozent an Mobilcom beteiligt, sind nicht mehr bereit, bis zu zehn Milliarden Euro in das UMTS-Geschäft von Mobilcom zu investieren.

Nach dem UMTS-Start in diesem Sommer, so der nach der Auktion vorgestellte Mobilcom-Plan, sollten 2005 schon fünf Millionen UMTS-Nutzer knapp fünf Milliarden Euro in die Mobilcom-Kasse spülen. Wie unrealistisch die Zahlen aus heutiger Sicht sind, zeigt der monatliche Pro-Kopf-Umsatz: Die ersten Mobilcom-Kunden sollen rund 100 Euro pro Monat ausgeben. Zum Vergleich: Mehr als 60 Euro kalkuliert derzeit kein Netzbetreiber mehr ein. Weiteren Wind aus den Segeln nahm T-Mobile-Chef Kai-Uwe: „Dass UMTS-Geschäftsmodell könne sich auch bei Umsätzen von rund 50 Euro noch rechnen.“

Erstmals seit dem Börsengang vor fünf Jahren ist jetzt sogar die Deutsche Telekom in die Verlustzone gerutscht. Nach Steuern hat sich ein Fehlbetrag von 3,5 Milliarden Euro angehäuft. Ein Jahr zuvor erwirtschaftete der Konzern noch ein Plus von 5,9 Milliarden Euro. Negativ zu Buche schlagen vor allem der Kauf des US-Mobilfunkbetreibers Voicestream und die hohen Zinsaufwendungen für die UMTS-Mobilfunklizenzen.

Dazu kommt, dass sich ausgerechnet Europas Vorzeigebranche seit zwei Jahren jedes Jahr einen Flop leistet. Erste Fehleinschätzung schon im Frühjahr 2000: WAP, Kurzform für eine neue mobile Technologie, die abgespeckte Internetseiten aufs Handydisplay bringt, soll die Umsätze gehörig ankurbeln. Doch das kryptische Kürzel begeistert die Kunden nicht, es ist zu langweilig, zu langsam und zu teuer. Mit der UMTS-Vorläufertechnologie GPRS (General Packet Radio Service) versprachen Handyhersteller und Mobilfunkanbieter im letzten Jahr Besserung: alles sollte schneller und einfacher gehen. Aber auch dieser mobiler Datenturbo kommt nicht in Fahrt. Es fehlen Handys und Anwendungen.

Jetzt droht der dritte Flop mit UMTS:„Die Technik ist noch nicht ausgereift,“ rudert Kevin Loosemore, Europa-Chef des amerikanischen Konzerns Motorola zurück. Erste Testnetze von Siemens auf der Isle of Man und in Monaco sollen die Netzbetreiber bei Laune halten. Mit echten Multimediaverbindungen und Diensten für das schnelle Netz rechnen Experten aber erst 2003.

Pessimisten erwarten sogar, dass das neue Mobilfunknetz dieselbe Wachstumskurve einschlagen werde wie die Handys Anfang der Neunzigerjahre. Damals, nach dem Start der D-Netze von T-Mobile und Mannesmann D2 im Sommer 1992, übertrafen sich die Anbieter zwar alljährlich mit höheren Prognosen. Doch auch Europas bedeutendste Boombranche schaffte es erst nach sechs Jahren, die magische Marke von zehn Millionen Teilnehmern zu überspringen. Das Massengeschäft fing sogar erst an, als alle Netzbetreiber die Subventionierung von vorausbezahlten Prepaid-Paketen in die Höhe trieben.


Solch ein Wachstumspfad aber würde die meisten UMTS-Betreiber in den Ruin treiben. Denn die Anbieter stehen heute unter enormem Kostendruck. Gesättigte Mobilfunkmärkte in Europa mit mehr als 70 Prozent Marktdurchdringung, sinkende Umsätze pro Kunde, milliardenschwere Schuldenberge durch hohe Lizenzkosten für das mobile Zukunftsnetz – die Branche dümpelt in gefährliches Fahrwasser. Fünf oder sechs Jahre auf zehn Millionen Kunden für das mobile Internet können die Telekommunikationsfirmen nicht warten. Eine Überlebenschance geben die Analysten von Credit Suisse First Boston (CSFB) den hochverschuldeten UMTS-Startups – in Deutschland Mobilcom und Quam, Gemeinschaftsunternehmen des spanischen Konzerns Téléfonica und des finnischen Anbieters Sonera, schon jetzt nicht mehr. „Finanzierungsprobleme und das Verfehlen von Planvorgaben werden den Ausstieg der Neustarter erzwingen,“ fürchtet Klaus-Dieter Scheurle, Ex-Präsident der Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikaton und Post, der für die Leitung der UMTS-Auktion vor zwei Jahren verantwortlich war und jetzt als Managing Director bei CSFB in Frankfurt fungiert.

Verschiebt sich der Start des mobilen Internets ein weiteres Mal, muss für die alle ein Notfallplan aufgelegt werden. Das Ruder rumreißen kann aus Sicht der Netzbetreiber vor allem der Regulierer: Er soll die strikten Lizenzbedingungen ändern und endlich den Handel mit Frequenzen und Fusionen zulassen.

Konkurrent Viag Interkom kündigte bereits an, die Ausbauinvestitionen zu strecken. Aus Spargründen will die Londoner Muttergesellschaft mm02, Mobilfunktochter von BT, sogar einen Infrastruktur-Lieferanten aussortieren. Einer von bisher drei für den europaweiten Ausbau des mobilen Internets vorgesehenen Partner, Nortel, Nokia und Ericsson, bekommt den Laufpass.

Trübe Aussichten für die Telekomlieferanten, die schon seit Mitte letzten Jahres wegen der zurückgeschraubten Investitionen der Telefonkonzerne Schiffbruch erlitten. In der Not verhandelten die Größten Ende letzten Jahres sogar über Fusionen. Der deutsche Siemens-Konzern plante für sein Mobilfunkgeschäft ein Zusammengehen mit dem amerikanischen Unternehmen Motorola, die französische Firma Alcatel mit dem amerikanischen Vorzeigekonzern Lucent. Beide Notehen scheiterten an unterschiedlichen Geschäftsstrategien.

Jetzt droht auch noch der UMTS-Gau. Ausgerechnet bei der Vergabe von Aufträgen für das neue mobile Multimedianetz liegt Lucent zusammen mit Nortel und Motorola weit abgeschlagen hinter den Marktführern Ericsson, Nokia und Siemens. Die drei heimsten zusammen allein mehr als 80 Verträge für den UMTS-Netzaufbau weltweit ein. Ericsson liegt derzeit mit 37 Aufträgen an der Spitze. „Tatsächlich gibt es nur drei zuverlässige UMTS-Lieferanten – Ericsson, Nokia und Siemens“ resümiert eine Studie der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein.

Trotzdem halten sich auch die ehemals euphorischen Marktführer und vermeintlichen Sieger des Ausleseprozesses dezent zurück. Dieses Jahr, so Ericsson-Chef Kurt Hellström, werde UMTS nur eine kleine Rolle im Markt spielen. Nicht mehr als zehn Prozent UMTS-Umsatz erwarten die Schweden für das laufende Geschäftsjahr. Siemens rechnet gar nur mit fünf Prozent. „Erst Ende nächsten Jahres wird über die nächste Runde der Auftragsvergabe entschieden,“ so Siemens-UMTS-Chef Valentin Chapero Rueda.

Für frischen Wind will die Branche auf der Cebit sorgen. Mobiltelefone mit farbigen Displays, MP3-Musikabspielgeräten und Spielen sollen für Umsatz sorgen.

Noch vor dem Showdown in Hannover schaut die Mobilfunkwelt gespannt auf die Düsseldorfer KPN-Tochter E-Plus, die Japans erfolgreichsten mobilen Datendienst i-mode (31 Millionen Kunden) jetzt nach Deutschland importiert. Zusammen mit vorerst einem Handyhersteller (NEC) und 60 Inhalteanbietern wagt E-Plus die Flucht nach vorn. Bis Ende des Jahres will KPN Mobile eine Million Geräte verkaufen, den Großteil davon in Deutschland. Dem ambitionierten Kapitän auf der Brücke der im Sturm treibenden Branche, E-Plus-Chef Uwe Bergheim, ist klar: „Wenn i-mode ein Flop wird, hat die gesamte Branche ein Problem.“ (Siehe Interview Seite 92).

Die Verantwortung lastet schwer. Selbst Bergheim schürt zurückhaltende Hoffnung für die rettende Planke und hofft, dass i-mode-Kunden ihren Monatsumsatz um 20 bis 25 Prozent steigern. Dass sich das mit UMTS nicht beliebig steigern lässt, ist dem E-Plus-Finanzchef Stefan Baustert klar: „I-mode ist die Revolution, UMTS ist nur die Evolution.“

Jürgen Berke/Angela Hennersdorf

http://www2.wiwo.de/wiwowwwangebot/fn/ww/SH/0/sfn/buildww/cn/cn_artikel/id/62629!138179/layout/58327/index.html

 

UMTS bereits vor dem Start vor dem Aus?

Quellen: Manager-Magazin, dpa, Reuters, 03.04.2002, Nachricht von Jörg Wichmann

 

U M T S - W A H N

Wen es als nächsten erwischt

Von Anne Preissner

 

Gründer Gerhard Schmid macht Kasse und verkauft seine Mobilcom-Anteile. Damit könnte der Selfmademan zum einzigen Gewinner des UMTS-Wahns werden. Die ganze Branche hängt dagegen durch. mm sagt, wer die Wackelkandidaten sind.

 

Hamburg - Mobilcom-Chef Gerhard Schmid (49) war schon immer ein Freund klarer Verhältnisse: Er hat das Sagen, die anderen dürfen zahlen. Die Rechnung des cleveren Franken, Großaktionär des holsteinischen Mobilfunkanbieters, ist bislang auf wundersame Weise aufgegangen. Einen Betrag von 4,2 Milliarden Euro entlockte er Michel Bon (58), dem Lenker von France Télécom, für eine 28,5-Prozent-Beteiligung an Mobilcom und für künftige Breitband-Investitionen; 2,1 Milliarden Euro strecken die Telekom-Ausrüster Nokia und Ericsson vor, damit sie den Büdelsdorfern ihre Infrastruktur liefern dürfen; 4,7 Milliarden Euro gewährten diverse Geldinstitute der Schmid-Firma als Kredit für den Erwerb einer Lizenz für den künftigen Mobilfunkstandard UMTS und für den Aufbau des UMTS-Netzes. Elf Milliarden Euro - das ist viel Geld für ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro erzielte. Und das tiefrote Zahlen schreibt. In den vergangenen Wochen drohte die Schmid-Show „Wer wird Milliardär“ zu platzen. Großgeldgeber France Télécom machte Ärger. Vianney Hennes (42), einziger Repräsentant der Franzosen im Mobilcom-Vorstand, schied Mitte Februar aus dem Gremium aus. Seither war Schluss mit lustig. Zwischen Büdelsdorf und Paris wurde um jeden Cent gestritten (siehe „Der Streit spitzt sich zu“). Michel Bon und Gerhard Schmid verfolgten einander in aller Öffentlichkeit mit Verdächtigungen, Unterstellungen und Drohungen. Bis zur Einigung am heutigen Dienstag (siehe „Einigung: Schmid macht Kasse“).

 

High risk - no fun

 

Wie die sechs Inhaber der UMTS-Lizenzen dastehen - und welche Chancen sie haben.

 

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Eine Provinzposse? Wenn es nur das wäre. Vielmehr ist der Machtkampf der beiden Topmanager symptomatisch für den Zustand der gesamten Branche. Alle Mobilfunkunternehmen in Deutschland sind katastrophal verschuldet. Selbst die Großen der Branche, T-Mobile, Vodafone und E-Plus, ächzen unter drückenden Zinslasten, schrauben ihre Investitionen zurück. Für die kleinen Anbieter geht es schon jetzt um alles oder nichts. Neben Mobilcom befinden sich auch Viag Interkom und Marktneuling Quam in bedrohlichen Schieflagen. Ein Desaster, das absehbar war. Über 50 Milliarden Euro mussten die sechs UMTS-Lizenznehmer im August 2000 an Finanzminister Hans Eichel (60) überweisen. Der schwindelerregende Preis für ein bisschen Luft erweist sich nun als schwerste Belastung für den gesamten Markt der Telekommunikation.

 

Gewiss, Kassenwart Eichel ist nicht allein Schuld an der Misere. Mit überteuerten Akquisitionen haben sich die Firmenlenker auch selbst tief in Schulden verstrickt (siehe „Gebeutelte Gewinner“). Doch es war vor allem Eichels Griff nach dem Staatsanteil an noch nicht verdientem Geld, der die Branche um ihre Zukunft zu bringen droht. Die Staatsauktion für die UMTS-Lizenzen kommt den Finanzminister schon jetzt teuer zu stehen. Die Verluste der Mobilfunkfirmen führen zu Steuerausfällen, ziehen den Abbau von Arbeitsplätzen nach sich und vernichten Aktionärsvermögen - auch das des Bundes. Womöglich kostet Eichel die UMTS-Versteigerung mehr, als sie ihm einbringt. Allein die T-Aktie  (Bundesanteil: 43 Prozent) verlor seit der UMTS-Auktion 64 Prozent an Wert – rund 71 Milliarden Euro. Der Markt zeigt sich so trist, dass Telekom-Chef Ron Sommer (52) den für dieses Jahr geplanten Börsengang der Tochter T-Mobile wohl erneut verschieben muss –und weiter auf seinem Schuldenberg sitzen bleibt. Die Boombranche droht zur Buh-Branche zu werden. Im letzten Jahr lag der Beschäftigungszuwachs im Sektor Telekommunikation nur noch bei 0,5 Prozent (2000: 8,7 Prozent). Für das laufende Jahr rechnet die Unternehmensberatung Mummert + Partner mit einem Stellenabbau.

 

Mobilcom-Chef Schmid, France-Télécom-Lenker Bon: Streit um jeden Cent

 

Wird Mobilcom das erste UMTS-Opfer?

 

8,4 Milliarden Euro hat Gerhard Schmid für die Lizenz bezahlt. Ohne diese Last stünde Mobilcom wesentlich besser da, könnte sorglos investieren. Stattdessen balanciert das Unternehmen am Abgrund. In diesem Sommer muss der Noch-Mobilcom-Chef Schmid kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 4,7 Milliarden Euro umschulden. Die Anschlussfinanzierung (Hauptgläubiger: Deutsche Bank, Merrill Lynch, Société Générale und ABN Amro) ist aber nur gesichert, wenn Minderheitsaktionär France Télécom fest zu seinem deutschen Engagement steht. Wenn ja, wenn. Der französische Staatskonzern ist selbst klamm, hat Rekordschulden in Höhe von 65 Milliarden Euro angehäuft. Was Wunder, dass Michel Bon sein UMTS-Investment diesseits des Rheins niedrig halten will. Das gilt auch nach der Einigung mit Selfmademan Schmid, der unterdessen angekündigt hat, nach dem Verkauf seiner Anteile an eine Gruppe von Finanzdienstleistern den Vorstandsvorsitz bei Mobilcom niederzulegen. Einigen sich die Beteiligten nicht schnell über die Zukunft von Mobilcom, dann gibt es – außer Schmid, der nun Kasse macht - nur Verlierer. „France Télécom hat die Macht, Mobilcom völlig auszubluten“, sagt Joachim Koller, Telekom-Experte bei Merck Finck & Co. Aber um welchen Preis: Wenn Mobilcom Pleite ginge, müsste France Télécom bis zu elf Milliarden Euro abschreiben.

 

Der Jubel über die Lizenzen für den Mobilfunk der Zukunft ist längst verstummt. Es geht es nur noch ums Geld. Milliardensummen hat etwa British Telecommunications (BT) in die deutsche Tochter Viag Interkom gepumpt. Mit sehr mäßigem Erfolg. Die Münchener Firma ist mit nur 3,65 Millionen Kunden der kleinste Netzbetreiber nach T-Mobile, Vodafone und E-Plus. Analysten erwarten für das ablaufende Geschäftsjahr (31. März) einen Verlust von 250 Millionen Euro (Ebitda). Rudolf Gröger (47), seit Oktober Viag-Interkom-Chef, muss Personal abbauen und drastisch die Kosten senken. Das geht an die Substanz. Dabei hat Viag Interkom noch nicht einmal mit dem UMTS-Netzausbau begonnen. Hartnäckig hält sich in der Londoner City das Gerücht, dass die Briten ihren deutschen Verlustbringer schnell loswerden wollen. Nichts schwieriger als das. In Deutschland besteht seit der UMTS-Auktion kein Interesse mehr an Mobilfunkfirmen. Mit sechs Lizenznehmern ist der Markt ohnehin überbesetzt. T-Mobile-Chef Kai-Uwe Ricke (40) schätzt, dass höchstens vier Spieler übrig bleiben. Wenn überhaupt. Neben Mobilcom und Viag Interkom gehört auch Newcomer Quam zu den akut gefährdeten Marktteilnehmern. Der Ableger von Telefónica Móviles (Spanien) und Sonera (Finnland) besitzt in Deutschland weder einen Kundenstamm noch ein eigenes Netz. Sven Hannawald, Skispringer und Quam-Werbeträger, wird vermutlich der einzige Überflieger im Quam-Team bleiben. Deutschland-Chef Ernst Folgmann (54) zählte Mitte März gerade mal 75.000 Nutzer und hat damit seine ursprünglichen Planzahlen weit verfehlt.

 

Die schlimmsten Folgen des UMTS-Wahns stehen noch aus. Branchenkenner malen schon die Szenarien. Wird Mobilcom im Gesellschafterstreit zerrieben? Wird Viag Interkom verkauft? Verschwindet Quam vom Markt? Gibt einer der UMTS-Rechteinhaber auf, bekommt Hans Eichel die jeweilige Lizenz zurück, und zwar gratis. Er kann sie dann erneut unter den verbliebenen UMTS-Betreibern versteigern. Die Nachfrage dürfte sich in Grenzen halten. „Den Wahnsinnigen möchte ich sehen, der dafür noch einmal Geld hinlegt", resümiert Jürgen von Kuczkowski (61), Deutschland-Chef von Vodafone. So schnell verfallen die Preise für heiße Luft.

 

Drahtloser Seilakt
Zu langsam, zu spät, zu dürftig: Das gepriesene Mobilfunknetz UMTS kann viele Versprechen nicht halten
Von Hubert Filser und Michael Lang

 

Wäre man Marketingchef, würde man sagen: Ron Sommer hat eine Vision. Dass nämlich eines nahen Tages jeder Mensch seine Welt bei sich tragen wird – nicht im Kopf, sondern in seiner Hosen- oder Jackentasche. Es geht um ein Hightech-Netz, mit dem jeder rund um die Uhr via Handy verbunden sein soll, das außer Sprache auch digitale Fotos, Videos, Spiele und Musikstücke liefert und Zugang bietet zu Web-Seiten und persönlich ausgewählten Nachrichten.

UMTS heißt das Wundernetz (Universal Mobile Telecommunication System), und sollte es ähnlich populär werden wie das World Wide Web, so warten satte Gewinne. Sechs Unternehmen waren deshalb bereit, rund 50 Milliarden Euro allein für die UMTS-Funklizenzen zu bezahlen – der Ausbau des Netzes wird noch einmal eine ähnlich hohe Summe verschlingen. Neben dem gigantischen Potenzial ist UMTS deshalb auch ein großes wirtschaftliches Risiko; der Grund, warum die Marketing-Kutsche das technische Zugpferd mitunter überholt. Doch schon mehren sich die Kritiker. So warnte unlängst die New York Times, man solle nach der soeben in den Vereinigten Staaten erfolgten Einführung von UMTS lieber noch ein oder zwei Jahre warten, dann kaufe man nicht nur ein Versprechen.

Wie sehr technische Schwierigkeiten im Weg stehen können, zeigte sich schon beim ersten europäischen UMTS-Probebetrieb auf der britischen Isle of Man. Zum Start waren für die 75000 Insulaner gerade einmal 200 Handys verfügbar. In Deutschland hat Marktführer T-Mobile (D1) nun den Start auf Herbst 2003 verschoben. Die Lizenzvereinbarung mit der Regulierungsbehörde der Telekom schreibt indes vor, bereits 2003 ein Viertel aller Deutschen mit UMTS zu versorgen. Telekom-Chef Ron Sommer sucht deshalb die Unterstützung von Öffentlichkeit und Politik. „Ich bin überzeugt, dass es uns rasch gelingen wird, UMTS zu einem neuen Massenmarkt zu machen“, sagte er vergangene Woche vor der versammelten Weltpresse und Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Mit anderen Worten: UMTS soll es keinesfalls so ergehen wie etwa Leo Kirchs digitalem Bezahlfernsehen, dem die Kunden ausbleiben. Dabei erscheint es unvermeidlich, dass nicht alle sechs deutschen UMTS-Lizenznehmer den mörderischen Kampf um Marktanteile überleben werden. „Es wird große Leichen geben, das ist nur gut für uns“, sagt Sommer.

Der Kostendruck wird bis zum Verbraucher durchschlagen. Ein neues Handy muss her, und die Industrie peilt einen monatlichen Umsatz von 50 Euro pro Kunden an. Als „Killerapplikationen“ – Anwendungen, die Kunden zum Umstieg vom alten auf das neue Funknetz bewegen sollen – gelten Spiele, Videos, Erotik und Musik. Diese Dienste sollen auch den Profit für die Betreiber bringen. Telefonieren wird zur Nebensache.

Nachts auf dem Funkmast

Denn abgerechnet wird nicht die Dauer eines Gesprächs – im UMTS- Netz ist man „always on“. Was zählt, ist die übertragene Datenmenge, sie entscheidet über den Erfolg von UMTS. Die von Marketing und Produktmanagement der Mobilfunkbetreiber versprochene bunte Multimedia-Welt auf dem Handy setzt entsprechend hohe Übertragungsraten voraus. Doch statt der weithin angekündigten zwei Millionen Bit (Megabit) pro Sekunde werden am Anfang höchstens 384 Kilobit pro Sekunde erreicht; das Sechsfache der ISDN-Rate. Aber auch das ist nur ein theoretischer Wert.

Die US-Firma Verizon Wireless bietet seit einigen Tagen im Großraum New York UMTS mit 144 Kilobit pro Sekunde an, das Zehnfache der Übertragungsrate von GSM-Handys. Doch Kritiker warnen vor überzogenen Erwartungen. „Das ist eine hypothetische Zahl, die sich vielleicht erreichen lässt, wenn man um vier Uhr nachts auf einen Funkmast klettert, keine Luftmoleküle stören und niemand anders in der Nähe telefoniert“, sagt Alan Reiter, unabhängiger Analyst bei Chevy Chase. Ist man unterwegs oder sind mehrere Nutzer in der Nähe, dann teilt sich die Übertragungsrate. Bei Massenveranstaltungen lässt man deshalb sein UMTS-Handy wohl am besten zu Hause.

Eine Studie der Bank Credit Suisse First Boston spricht denn auch davon, dass auf Grund von Anlaufschwierigkeiten mindestens fünf Jahre vergehen werden, ehe auch nur jeder vierte Mobilfunknutzer ein Telefon der neuen Generation anschaffen wird. Sogar T-Mobile-Chef Uwe Ricke wird mit den Worten zitiert, dass nur 20 bis 30 Prozent der Mobilfunkkunden zurzeit reif seien für UMTS.

Dessen ungeachtet bastelt die Industrie unablässig an der UMTS-Wunderwelt. Auf der Mobilfunkmesse vergangene Woche in Cannes zeigte Siemens, wie sich Fernsehen mit dieser Technik übertragen lässt. Infineon und der japanische Elektronikkonzern Toshiba wollen nun ihre Chips „kompatibel“ machen, damit Videos zügig aufs Handy gelangen. Und die Techniker können im Prinzip jedes Geschwindigkeitsproblem lösen: In den Labors arbeitet man schon am UMTS- Nachfolger – Japan plant dessen Einführung bereits für 2010.

Aber Technik allein genügt nicht. „UMTS hat nur eine Existenzberechtigung: den Inhalt“, stellt Ariane Afrough fest. Die Analystin vom Beratungsunternehmen IDC verweist auf den Misserfolg des Wireless Application Protocol (WAP), eines abgespeckten Internets für die heute üblichen GSM-Handys, das kurz nach der Einführung wegen fehlender Inhalte einging. „Auch die Anwendungen für UMTS sind noch nicht da“, sagt Knox Bricken, Analyst bei der Yankee Group. Afrough und Knox sind sich einig darin, dass womöglich Spiele erfolgreich sein könnten, weil Spieler weniger aufs Geld achteten und die Gebühren nicht scheuten. Interessant sind vielleicht auch so genannte „location based services“, orts- und personenbezogene Informationsdienste wie eine individualisierte Wettervorhersage oder elektronische Städteführer, die alle Geldautomaten, Tankstellen und Restaurants der Umgebung anzeigen. „Diese müssen aber flächendeckend verfügbar sein, um einschlagen zu können“, sagt Ariane Afrough.

Der Netzbetreiber Mobilcom hofft darauf, dass 85Prozent der Kunden ihre Bankgeschäfte über das Handy abwickeln werden. Der finnische Mobilfunkausrüster Nokia hat 2001 weltweit 3300 Menschen zwischen 16 und 45 Jahre befragen lassen. Am populärsten waren SMS-Kurznachrichten mit 81 Prozent – eine Anwendung, für die man kein UMTS braucht. 72 Prozent könnten sich vorstellen, auch einen Unterhaltungsdienst zu nutzen, etwa mobiles Radio. Auch das funktioniert schon seit Jahrzehnten ohne Mobilfunk. Dann erst folgten Wünsche wie das Herunterladen von Musik, mobiles Live-Fernsehen und Spiele. Damit wird klar, dass der Markt noch hart erarbeitet werden muss.

Im Übrigen wird sich zeigen, ob die Darstellung von Web-Seiten, Bildern und Videofilmen auf zum Teil briefmarkenkleinen Handy-Displays den Geschmack der Massen treffen wird. Bei aller Skepsis gehen viele Studien dennoch davon aus, dass sich UMTS durchsetzen wird. IDC schätzt, dass bereits im Jahr 2005 in Deutschland 23 Prozent der 50Millionen Handy-Besitzer das neue Netz nutzen werden. Für konkrete Prognosen zu Erfolg und Misserfolg hat die Beraterfirma Mercer Consulting jedoch nur ein Wort übrig: „Glaskugelseherei“.

 

http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel126872.php

www.buergerwelle.de

 

Marktforscher halten Handymarkt für gesättigt

80 Prozent der Telefonbesitzer wollen kein neues Mobiltelefon

Der Handymarkt scheint trotz neuer Innovationen gesättigt  Die Aussichten für Handy-Hersteller in Europa sind einer Studie zufolge trübe: Die überwiegende Mehrheit der Europäer plant nicht, sich ein neues Handy anzuschaffen, wie eine Untersuchung der Forrester Research ergab. Demnach besitzen bereits 71 Prozent aller Europäer ein Mobiltelefon und in 20 Prozent aller Haushalte sind drei und mehr Geräte vorhanden. Jeweils 80 Prozent aller Handybesitzer sowie der Nicht-Handybesitzer beabsichtigen nicht, ein neues oder überhaupt ein Mobiltelefon anzuschaffen. Das Marktforschungsinstitut fand heraus, dass es zwischen Mai und Oktober 2001 kaum Veränderungen bei den Besitzerzahlen gab: Während Großbritannien, Irland und Spanien ein leichtes Plus an Handybesitzern von jeweils über zwei Prozent verzeichneten, mussten Länder wie Norwegen, Deutschland und die Niederlande Rückgänge zwischen 3,7 und 4,6 Prozent hinnehmen. In der Vergangenheit hatte es in der Branche zweistellige Zuwächse gegeben. "Bis die neuen Netze (etwa UMTS) eine vollkommen neue Generation von Anwendungsmöglichkeiten erlauben, sind die Funktionalitäten eines Handys als Argument für einen Neukauf ausgereizt", resümiert die Studie.

Spitzenreiter beim Handybesitz sind nach wie vor die skandinavischen Länder: In Schweden und Norwegen haben 83 Prozent der Bevölkerung eines, in Finnland sind es sogar 86 Prozent. In Deutschland haben 74 Prozent der Bevölkerung ein Mobiltelefon. AP

 

 

UMTS: Kein Handy unter dieser Nummer
Aus der FTD vom 28.1.2002

Unter der 0150 sollte schon bald die neue UMTS-Mobilfunk-Generation ans Netz gehen. Doch nach den milliardenschweren Investitionen müssen immer mehr Anbieter den Start verschieben - weshalb gigantische Verluste drohen.

In der schönen neuen Mobilfunkwelt UMTS ist es eng. Die beiden Techniker im Wiesbadener Testlabor des US-Handyherstellers Motorola simulieren zwischen zwei schrankgroßen Computern die Übertragung von bewegten Bildern, wie sie die neue Mobilfunkgeneration verspricht. An einen Tisch haben sie eine fußballgroße Antenne gehängt, die den Sendemasten mimt. Eine zweite steht ganze anderthalb Meter entfernt.

Und nichts klappt. Kommt den Sendestrahlen zwischen den Antennen auch nur ein Stück Metall in die Quere, ist es aus: Wie Regentropfen an einer Fensterscheibe prallen Bilder und Telefongespräche an einem Blech ab.

Die Übertragung ist nur eines von vielen ungelösten Problemen, die die vor zwei Jahren noch vielbeschworene Wundertechnik belasten. Die UMTS-Welt sieht derzeit so traurig aus, dass sich T-Mobil, die Mobilfunktochter der Deutschen Telekom, vergangene Woche den Start der neuen Technik auf die zweite Jahreshälfte 2003 verschob. Ursprünglich hatte T-Mobil bereits Ende dieses Jahres Videofilme und Bilder über den Äther aufs Handy schicken wollen. Am Wochenende legte Viag Interkom nach: Ein Konzern-Sprecher verkündete, dass auch Viag den UMTS-Start in den Herbst nächsten Jahres vertagen könne.

Mit der dritten Mobilfunkgeneration haben sich die europäischen Anbieter in das größte Abenteuer ihrer Geschichte gestürzt - das für einige mit blutigen Nasen enden dürfte. Der für den Mobilfunk zuständige Telekom-Vorstand Kai-Uwe Ricke rechnet damit, dass nur drei der sechs deutschen Lizenznehmer überleben werden.

Dabei mussten die Anbieter europaweit über 100 Mrd. Euro für die Funklizenzen blechen, der Auf- und Ausbau der Netze wird nach Berechnungen der Dresdner Bank weitere 250 Mrd. Euro verschlingen. Finanziert zumeist auf Pump.

Und jetzt, da Zins und Tilgung die Mobilfunker drücken, wissen die Hersteller der Netze noch immer nicht, ob sich die mageren Ergebnisse der Labortests überhaupt auf alltägliche Bedingungen übertragen lassen. "Wir werden im zweiten Halbjahr 2002 Feldversuche durchführen", konstatiert Ed Breen, Motorola-Vorstand für das operative Geschäft, trocken. Im Klartext: Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Netze längst aufgebaut werden sollten, beginnt der US-Konzern erst mit Tests unter realen Bedingungen. Und von den Inhalten, die sich Handy-Nutzer künftig aufs Display laden und bezahlen sollen, ist bislang auch nur die Rede. "Wo sind diese Dienste?", fragt René Obermann, Europa-Chef von T-Mobil.

Der Marktführer in Deutschland ist in der vergangenen Woche als erster großer Mobilfunker zurückgerudert, wegen "technischer Probleme", und das auf allen wichtigen Märkten des Unternehmens in Europa: Deutschland, Großbritannien und Österreich.

T-Mobile kommt damit erst neun Monate nach den Startterminen, die die Konkurrenten von Mobilcom und Vodafone bislang genannt haben. Einziger Trost der Deutschen könnte sein: Auch die Konkurrenten werden mit den Problemen nicht mehr lange hinterm Berg halten können, schätzt der Anlagestratege der Dresdner Bank, Chris-Oliver Schickentanz: "Ich erwarte für die nächsten Wochen gleich lautende Mitteilungen von Vodafone, E-Plus, Mobilcom und Quam."

Kleinlaute Anbieter

Selbst großtönende Anbieter wie Vodafone und Mobilcom haben bereits den Tonfall geändert. Während Vodafone-Deutschland-Chef Jürgen von Kuczkowski bereits leiser "ausreichende Handys" für den frühen UMTS-Start zur Bedingung macht, will sich Mobilcom nicht mehr recht festlegen lassen, was da im Herbst genau gestartet wird.

Auf den Finanzmärkten kommt das alles andere als gut an. Vor allem Mobilcom, das sein Netz aus dem Nichts aufbauen muss, gilt unter Analysten und Anlegern als Wackelkandidat. Dass es auch anders geht, zeigt die Swisscom. Die hat ihren UMTS-Start von vornherein auf 2004 verschoben - und wurde von den Investoren honoriert. Die Aktie entwickelte sich über dem Markttrend.

Das hat sich die an die Börse strebende T-Mobil jetzt offenbar zum Vorbild genommen. Schlechte UMTS-Nachrichten mitten in den Vorbereitungen zum Börsengang im Laufe dieses Jahres hatten den Erfolg in Frage gestellt. Branchenkenner wie Schickentanz fordern von den Unternehmen die neue Offenheit aber auch aus anderen Gründen: "Es wäre fataler, einen Fehlstart zu riskieren. Dann würde sich die Stimmung in der Bevölkerung gegen die neue Technologie drehen, das wäre verheerend."

Zweites WAP-Desaster

Lassen die Mobilfunker ihren vollmundigen Ankündigungen wieder nur mickrige Taten folgen, fürchten Experten, dass sich mit UMTS das WAP-Desaster wiederholt. Die Übertragungstechnik WAP sollte das Internet aufs Handy-Display bringen. Doch mangelnde Inhalte, schwere Bedienbarkeit und nervenzerfressende Ladezeiten haben die Technik zum Flop werden lassen.

Ein erneuter Fehlstart käme die Mobilfunkanbieter teuer zu stehen. Eine Sekunde Netzbetrieb ohne Kunden verschlingt nach einer Berechnung von Frank Rothauge, Telekommunikationsanalyst der Investmentbank SAL. Oppenheim, mindestens 16 Euro. Macht jede Stunde 57.870 Euro. Jeden Monat 41,67 Mio. Euro. Alle halbe Jahr rund 250 Mio. Euro.

Millionen zu verbrennen, kann sich aber keiner der Anbieter mehr leisten. Es geht mittlerweile ums Überleben, wie das Beispiel Sonera zeigt. Der finnische Mobilfunker, der am deutschen Mobilfunkneuling Quam beteiligt ist, hatte sich an den UMTS-Lizenzen in Finnland, Italien, Spanien und Deutschland so verhoben, dass er alle Investitionen außerhalb Finnlands einfrieren musste, um den Bankrott zu vermeiden.

Bei Quam führt jetzt die Mitgesellschaft, die spanische Telefónica, das Regiment. 6,5 Mrd. Euro haben die Spanier in fünf Ländern für Lizenzen gezahlt und suchen nun händeringend nach einem Ausweg aus der selbstgeschaffenen Misere. Nicht allein, dass Quam wegen technischer Probleme seinen Marktstart im Dezember abbrechen musste. Hinzukommt, dass noch immer die Finanzierung des italienischen Ablegers und UMTS-Lizenznehmers Ipse unklar ist. Auch in Österreich und der Schweiz kam die Telefónica-Expansion zum Erliegen.

Ernüchterung in Japan

Wie unausgereift die UMTS-Technik noch ist, zeigt sich selbst im Vorreiterland Japan. Dort gab Marktführer NTT Docomo im Oktober ein erstes Netz frei, 15.000 Menschen telefonieren inzwischen über UMTS - und müssen ständig zwei Telefone mit sich herumschleppen. Denn die neue Mobilfunkwelt der grenzenlosen Kommunikation ist zugleich eine sehr isolierte: Für Anrufe auf Handys herkömmlichen Standards müssen die Japaner weiter ihr altes Handy benutzen.

Bleibt es dabei, wäre das für die Markteinführung in Deutschland verheerend. UMTS soll ab dem nächsten Jahr zunächst nur Ballungsgebiete wie Berlin, Frankfurt und das Ruhrgebiet abdecken, selbst bis 2005 muss nach den Vorgaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post das Netz erst die Hälfte Deutschlands erfassen. In allen anderen Orten müssten die UMTS-fähigen Mobiltelefone mit der alten Technik funktionieren.

Werden sie auch, versprechen die Hersteller. "Wir werden UMTS-Handys in Serie fertigen, die alles können", sagt Motorola-Deutschland-Chef Norbert Quinkert. "Definitiv bis zum zweiten Quartal 2002." Bei Nokia und Siemens heißt es, die Handys kommen in ausreichender Stückzahl Anfang 2003. Und Ericsson? "Wir schaffen es schon im Herbst 2002", posaunt ein Sprecher.

Doch in der Vergangenheit haben es die Hersteller noch nie geschafft, Termine zu halten. Selbst für Forschungszwecke sind derzeit nicht genügend UMTS-Modelle zu haben. Der für die Mobilfunkkunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortliche Lucent Manager, Jörg Schleicher räumt ein: "Wir testen derzeit mit ein paar UMTS-Handys von Herstellern wie NEC oder Panasonic, mit UMTS-Handy-Chips von Qualcomm - oder mit Simulatoren." Sprich, mit zwei Computern, an die Lucent Kopfhörer und Mikrofone angeschlossen hat. "UMTS-Handys sind rar. Mobiltelefone, die es in beiden Technologien schaffen, habe ich noch nicht gesehen", gibt der Lucent-Techniker zu.

Manche Analysten und Experten finden sich daher schon mit den immer größeren Zeitspannen ab: Was sind schon neun Monate Verzögerung, wenn die UMTS-Lizenz bis 2020 läuft? Und wenn Gewinne mit den lukrativen Datendiensten erst 2010 fließen sollen?

Letzte Hoffnung

Aber selbst wenn manche Anbieter diese Durststrecke überleben könnte: Die Netzbauer planen schon weit früher mit Gewinnen. Und wenn die Mobilfunker ihren Start verschieben, bleibt der Geldsegen aus. Netzbauer wie das schwedische Ericsson müssen ihre Geschäftspläne bereits umschreiben. "Die Investitionen in die Netze werden sich in der Startphase um 25 bis 30 Prozent reduzieren", sagt Analyst Schickentanz von der Dresdner Bank. Statt der bereits eingeplanten 250 Mrd. Euro fließen dann nur noch rund 180 Mrd. Euro.

"Keine guten Nachrichten für die Ausrüster", sagt Telekom-Chef Ron Sommer lapidar, als er erklärt, dass sein Unternehmen rund eine Mrd. Euro an Technikausgaben einsparen will. In der Tat: Die Ausrüsterbranche rechnet erst zum Jahreswechsel 2003 mit einem Aufschwung. Bleibt der aus, stoßen auch Giganten wie Ericsson und Motorola an ihre Grenzen.

Bereits im vergangenen Jahr haben beide Konzerne den ersten Verlust seit mehr als 50 Jahren eingefahren. Lucent strich fast die Hälfte aller Stellen, der Chef des US-Telekomausrüsters Nortel, Frank Dunn, entschuldigte sich gar für das "traumatische Jahr" bei seinen Aktionären. Doch ein besseres 2002 versprechen - dafür hütete er sich lieber.

Analyst Rothauge hat dagegen noch eine letzte Hoffnung: "Wenn die deutschen Netzbetreiber das Weihnachtsgeschäft 2003 ausschöpfen können, ist alles in Ordnung." Wenn nicht, müssen sie neue Geschäftspläne schreiben. "Und ich werde alle Umsatz- und Gewinnerwartungen nach unten korrigieren. Dann wird es kritisch."

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FTD 25.9.2001

UMTS - Die Hoffnung stirbt zuletzt

Von Martina Rieken, Hamburg

Der kommende Mobilfunk-Standard UMTS stößt bei Verbrauchern auf wenig Gegenliebe

Wer fast 25 Mrd. DM ausgibt, um sich eine Mobilfunklizenz zu sichern, sollte wissen, was er tut. UMTS, so hieß es, sei eine der wichtigen Schlüsseltechnologien in der Telekommunikation. Die Realität sieht heute, knapp ein Jahr vor dem beabsichtigten Start der schnellen mobilen Dienste, freilich anders aus.

Die UMTS-Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Die Branche sieht das System unter den Top Ten der bedeutendsten Technologien lediglich auf Platz sieben. Das zeigt eine aktuelle Befragung der Unternehmensberatung Mummert + Partner unter Fach- und Führungskräften der Telekommunikationsbranche. Viel wichtiger sind den Hightech-Spezialisten der Highspeed-Internetzugang DSL, das bestehende GSM-Handy-Netz und der erweiterte GSM-Standard GPRS.

Die UMTS-Protagonisten ächzen unter den enormen Summen, die sie für Lizenzen und Aufbau ihrer Netze aufbringen müssen, sowie unter der wachsenden Skepsis der Öffentlichkeit. Die Reduktion der Anlaufkosten wird als eine der wichtigsten Aufgaben gesehen, doch zunächst wächst der Schuldenberg weiter.

Geld verdienen höchstens 2004

"In den kommenden zwölf Monaten geht es weiterhin nur ums Investieren", so Wilhelm Alms, Vorstandsvorsitzender bei Mummert + Partner. "Geld verdient die Branche nicht vor dem Jahr 2004."

Problem Nummer zwei: Der Anteil der Mobilfunknutzer wird laut Xonio-Geschäftsführer Mathias Plica im Jahr 2002 leicht ansteigen, von heute 67 Prozent auf 70 Prozent. Zugleich wächst bei vielen Menschen aber auch die Angst vor Elektrosmog, der von den für UMTS benötigten rund 40.000 Sendemasten ausgehen könnte. Peter Neitzke vom Ecolog-Institut, Hannover: "In Deutschland gibt es zu diesem Thema mehr als 1200 Bürgerinitiativen." Je größer aber die Unsicherheit wird, desto geringer die Akzeptanz von UMTS.
Die Branche hat reagiert. Im Juni 2001 wurde in Berlin das Informationszentrum Mobilfunk (IZM) gegründet, das sich die "objektive Aufklärung" der Bevölkerung auf die Fahne geschrieben hat. "Wir sind kein Lobbyverband und versuchen, die Bürger unabhängig von den Betreibern zu informieren", sagt IZM-Geschäftsführer Immo von Fallois.

Streit um Strahlenrisiken

Der Haken an der Sache: Das IZM ist ein Zusammenschluss der Mobilfunkindustrie; die einzigen Mitglieder sind die sechs deutschen UMTS-Lizenznehmer. Für Siegfried Zwerenz von der Bürgerinitiative "Bürgerwelle" im bayerischen Tirschenreuth ein klarer Fall: "Das IZM ist eine Propagandamaschine der Mobilfunkindustrie, die auch von dieser bezahlt wird."

Aber auch die Informationen der UMTS-Gegner sind nicht objektiv. In der Auseinandersetzung um den Anspruch vorbehaltloser Information gibt ein Wort das andere.

Philipp Schindera, Sprecher des IZM-Mitglieds T-Mobil glaubt, dass Hysterie keinem weiterhilft: "Wir haben zwar mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen, aber der Bürgerwelle geht es nur um Panikmache." Ob durch die einseitige Kommunikationspolitik beider Lager die Akzeptanz von UMTS gestärkt, geschweige denn die Diskussion versachlicht wird, ist fraglich.

Der Bundesverband der deutschen Verbraucherzentralen (VZBV) teilt diese Ansicht: "Die Ängste und Verunsicherungen weiter Teile der Bevölkerung bezüglich der Mobilfunktechnik sind in erheblichem Maße durch eine verfehlte und unsensible Informationspolitik der Mobilfunkanbieter verursacht worden", sagt Joachim Dullin von der Verbraucherzentrale NRW. "Sie ist ein wichtiger Grund für die zunehmenden Vorbehalte gegenüber dieser Technik."

Kritik an Regulierungsbehörde

Auch an die Adresse der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post geht der Vorwurf der Verbraucherschützer: "Die Auskünfte der Regulierungsbehörde tragen gegenwärtig nicht zur Vertrauensbildung gegenüber der Mobilfunktechnik bei, da sie die Fragen betroffener Bürger nicht oder nur völlig unzureichend beantworten."

Die Politik erwacht langsam: Ende August kündigte das Bundeswirtschaftsministerium ein Aktionsprogramm zur Novellierung des rechtlichen Rahmens und zur Verbesserung der Information der Bürger an. Auch das Bundesumweltministerium hat sich in die Debatte eingeschaltet. Angesichts dieser Probleme will das IZM laut Immo von Fallois ab Herbst Diskussionsveranstaltungen mit Politikern und Wissenschaftlern führen, das Thema

"Mobilfunk" in die Schulen bringen und aktiv in den öffentlichen Dialog mit den Bürgern treten.

Für Olaf Schulz vom Bundesamt für Strahlenschutz ist klar: "Es gibt eine Menge zu tun, und es gibt eine Menge offene Fragen. Um Aufklärungsarbeit zu leisten, sind sachliche und neutrale Informationen nötig. Dabei müssen aber auch kontroverse Standpunkte transparent werden."

Gefragt sei "ein Zusammenschluss unterschiedlicher Interessenvertreter, zusammengesetzt aus unabhängigen Gremien der Regierung, Bürgerinitiativen und auch Mobilfunkbetreibern, um die verbleibenden Fragen bezüglich der Auswirkungen elektromagnetischer Felder zu beantworten", sagt Peter Neitzke. "Solange die Informationspolitik einseitig und emotional betrieben wird, muss sich niemand über mangelnde Akzeptanz von UMTS und wachsende Ängste wundern."

2001 Financial Times Deutschland http://www.ftd.de/tm/tk/FTDJZ9Y30SC.html?nv=tn-rs

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Börsianer sehen UMTS-Wette als verloren
Kostspielige Lizenzen zwingen Top-Manager in die Knie - Telekom-Aktien geben 500 Milliarden Euro Börsenwert ab

 

Von Holger Zschäpitz

 

Berlin - Von einem Jahr zum anderen ist alles anders. Im August 2000 marschierten die Telekommunikationskonzerne mit stolzer Brust zur großen UMTS-Auktion in Deutschland. Mit prall gefüllten Geldbeuteln und hohen Aktienkursen im Rücken boten die Firmenlenker für eine der mobilen Zukunftslizenzen nahezu jeden erdenklichen Preis. Ein Jahr später stehen die Unternehmen wie gerupfte Hühner da. "Die Telekomkonzerne sind die heißeste Wette in der deutschen Wirtschaftsgeschichte eingegangen", sagt Josef Scarfone, Fondsmanager bei Frankfurt Trust.

Die Börse sieht diese Wette bereits als verloren Deutsche Telekom, Vodafone, Mobilcom/France Télécom, British Telecom, KPN sowie Telefonica/Sonera gaben ein Vielfaches der 50,8 Mrd. Euro ab, die die Konzerne für die sechs mobilen Zukunftslizenzen in Deutschland auf den Tisch geblättert haben. Seit Abschluss der Auktion verloren die acht Aktien über 500 Mrd. Euro an Marktkapitalisierung. Und selbst Finanzminister Hans Eichel, der lange Zeit als der große Gewinner dastand, dürfte sich nach einem Jahr kaum mehr als Hans im Glück fühlen. Zwar flossen ihm die kompletten Lizenzeinnahmen zu. Doch sein 50-prozentiger Anteil an der Deutschen Telekom ist nach dem massiven Kurssturz der T-Aktie, der auch in den UMTS-Turbulenzen begründet liegt, inzwischen 60 Mrd. Euro weniger wert.

"Auch die UMTS-Einnahme-Bilanz des Fiskus ist inzwischen negativ", sagt Scarfone. Viele Fondsmanager sehen in dem Einbruch der Telekom-Aktien inzwischen auch eine politische Dimension. Denn nicht nur viele Regierungen, die noch Anteile an den alten Telefonmonopolisten halten, dürften angesichts der Kurserosion langsam nervös werden. Auch bei privaten Investoren, die in die "Volksaktien" getrieben wurden, steigt der Unmut. "Der Druck im Kessel steigt, irgendwann wird er explodieren", so Scarfone. Scharfe Kritik üben die Fondsmanager nicht nur an den Unternehmenslenkern, die mit ihren luftigen Prognosen die Kurse in die Höhe trieben, sondern auch an der deutschen Regierung. Ins Schussfeld gerät immer häufiger die Regulierungspolitik. "Bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen hat man auf die freien Marktkräfte gesetzt. Nun zementiert der Regulierer das Ergebnis, obwohl sich der Markt massiv geändert hat", sagt Victor Moftakhar, Fondsmanager bei der Deka. "Dringende Konsolidierungen als Lösung aus dem UMTS-Dilemma werden so verhindert."

Längst gilt es unter Experten als ausgemachte Sache, dass in Deutschland kein Platz für sechs Spieler ist. Die Verkleinerung auf fünf oder vier Konkurrenten könnte der fehlende Katalysator für die Branche sein. Doch dem steht noch die Regulierungsbehörde im Weg. Denn sollten zwei Anbieter zusammengehen oder sich ein Unternehmen aus Deutschland zurückziehen, muss die Lizenz nach bisheriger Rechtslage ohne Kostenausgleich abgegeben werden. Für den entsprechenden Telekomkonzern würde dann eine einmalige Abschreibung von über 16 Mrd. DM fällig, was eine Marktbereinigung faktisch verhindert. "Wir haben mit Telefonica gesprochen. Die würden sich liebend gern bewegen und ihre Lizenz etwa an die Deutsche Telekom verkaufen", sagt Moftakhar. "Bei der Regulierung muss sich etwas bewegen. Hier müssen sich die freien Marktkräfte entfalten dürfen."

Doch bis dahin sehen die meisten Experten abgesehen von technischen Gegenreaktionen wenig Spielraum für die Telekom-Titel. "Der Sektor bleibt angeschlagen", so Scarfone. "Das einzige, was derzeit noch wächst, sind Schulden, operative Verluste und der Zeitraum bis zu den Gewinnen." Anleger seien nicht mehr bereit, weit in der Zukunft liegende Gewinne zu honorieren, sondern wollten jetzt Fakten sehen.

Die Unternehmen stecken in einem Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie angesichts der hohen Schuldenlast Kosten sparen. Auf der anderen Seite gilt es, rasch den Ausbau der UMTS-Netzwerke voranzutreiben, um möglichst schnell Umsätze mit der neuen Technologie zu generieren. Scarfone sieht jedoch keine baldige Besserung: "Die einzige Rettung für den Sektor ist eine Konsolidierung."

 

FTD vom 24.7.2001

UMTS in den USA verzögert sich um Jahre
Von Ulrike Sosalla, New York

Die Einführung breitbandiger Mobilfunkdienste wie UMTS wird sich in den USA noch länger hinauszögern als bisher angenommen. In einer Studie des Marktforschungsunternehmens Frost&Sullivan schätzt deren Analyst Kshitij Moghe, dass Dienste nach dem europäischen UMTS-Standard in Nordamerika erst um 2007 herum ans Netz gehen.

 

Das wäre fünf Jahre nach dem in Europa geplanten Start Mitte kommenden Jahres. Analysten und Mobilfunknetzbetreiber haben ihre Erwartungen nochmals zurückgeschraubt, nachdem die Regierung Bush kürzlich erneut die Entscheidung vertagt hat, welche der knappen Funkfrequenzen für die neuen Mobilfunkdienste reserviert werden. Ursprünglich wollte die Telekommunikationsbehörde FCC (Federal Communications Commission) im Juli einen Frequenzbereich festlegen und das weitere Verfahren klären. "Das ist schon die vierte oder fünfte Verschiebung", sagte Frost&Sullivan-Experte Moghe der FTD. "Es würde mich nicht wundern, wenn sie noch sechs bis zwölf Monate brauchen, um sich auf einen Frequenzbereich zu einigen." Diesen grundlegenden Schritt vor jeder Versteigerung von Lizenzen hatten die meisten europäischen Länder schon 1999 abgeschlossen.

Die US-Behörden stehen vor einem Problem: Anders als in Europa sind in den USA alle in Frage kommenden Frequenzen bereits vergeben. Die bisherigen Nutzer der Frequenzen müssten entweder andere Bereiche erhalten oder zur gemeinsamen Nutzung des knappen Funkraums gezwungen werden. Das aber ist politisch heikel: In einem der zwei in Frage kommenden Bereiche funkt das Verteidigungsministerium, und das beruft sich auf die nationale Sicherheit, um nicht weichen zu müssen. Im anderen Bereich sind drahtlose Internetzugänge und lokale Fernsehsender angesiedelt, darunter viele religiöse Sender - auch dies ein politisches Minenfeld.

"Ich glaube, dass das zweite Frequenzband noch eher freizubekommen ist, denn das lässt sich mit Geld lösen, die nationale Sicherheit hingegen nicht", meint Analyst Moghe. Immense Probleme wirft die Verzögerung seiner Ansicht nach für die Netzbetreiber auf. "Die großen Mobilfunkfirmen haben heute schon in den Großstädten zu wenig Funkkapazität", warnt er. "Wenn die Kundenzahlen weiter steigen, werden die Betreiber die Preissenkungen zurückfahren müssen, um nicht zu viele Menschen im Netz zu haben. Das ist wie eine Zeitreise rückwärts."

Die größten Probleme bekommen nach Moghes Analyse Cingular und AT&T Wireless , mit 22 und 16 Millionen Kunden die Nummern zwei und drei im US-Markt. Denn beide benutzen bisher den in Europa unbekannten TDMA-Standard, stellen ihre Netze aber gerade auf den europäischen GSM-Standard um. Der aber braucht vergleichsweise viel Frequenzraum. Keine Probleme sieht Moghe für den bisher einzigen US-weiten GSM-Anbieter Voicestream, die Tochter der Deutschen Telekom. Voicestream habe für seine geringe Kundenzahl von sechs Millionen genug freie Kapazität.

Weniger skeptisch ist dagegen der Berater Nathan Blane von Mercer Management Consulting. "Der Mangel an Frequenzen verhindert, dass die Betreiberfirmen bei einer Auktion viel Geld für eine Technik ausgeben, für die es im Moment keine Nachfrage gibt", urteilt er. Dies sei in Europa geschehen.

Es täte dem Markt eher gut, wenn sich die Anbieter noch einige Jahre lang auf die Übergangstechniken GPRS (eine Fortentwicklung des europäischen GSM-Standards) und CDMA1x, den Nachfolger des dritten bedeutenden US-Standards CDMA, konzentrieren. "Diese Techniken werden sehr schnell kommen, und sie erlauben bereits viele wichtige Funktionen wie höhere Übertragungsgeschwindigkeiten und ständigen E-Mail-Empfang."

Am Dienstag hatte AT&T Wireless den Start des ersten GPRS-Netzes im Großraum Seattle angekündigt. Bis Ende 2002 will das Unternehmen sein gesamtes US-Netz aufgerüstet haben.Für ungefähr fünf Jahre würden GPRS und CDMA1x in den USA die einzigen breitbandigen Mobilfunktechniken bleiben, schätzt Berater Blane. In Europa wird GPRS derzeit flächendeckend eingeführt, soll spätestens ab 2003 allmählich durch die neue UMTS-Technik ersetzt werden, die noch höhere Übertragungsraten bietet."Für den weltweiten Mobilfunk bedeutet das, dass die USA und Europa noch viele Jahre lang unterschiedliche Techniken nutzen."
http://www.ftd.de/tm/tk/FTD995947202994.html?nv=cpm

UMTS - Zu wenig Saft in den Akkus
Von Markus Zydra

27. Juni 2001 NTT Docomo wollte ab Mai den Anfang machen. Der japanische Mobilfunkkonzern hatte diese Datum avisiert als Start der UMTS-Zukunft. Der Probelauf ging gründlich daneben, „Softwareprobleme“, so das Unternehmen, „machten eine Verschiebung auf Oktober nötig.“ Neben der komplexen Abwicklungssoftware bereitet jedoch auch ein ganz anderer Aspekt ansehnliche Schwierigkeiten.

Die Handyhersteller kämpfen mit der Batterieleistung ihrer UMTS-Geräte, die derzeit in den Laboratorien getestet werden. Versprochen und immer wieder zitiert sind UMTS-Übertragungsraten von bis zu zwei Megabit pro Sekunde - verglichen mit der aktuellen GSM-Leistung von 9,6 Kilobit/s aber auch mit ISDN-Festnetzanschlüssen, die 64 Kilobit/s übertragen, ist das technologisch ein Riesensprung. Doch dazu wird es nicht kommen. „Solche Übertragungsraten machen die Batterien der Mobiltelefone im Nu leer“, sagt Arto Karila, finnischer Berater und früherer Professor an der Helsinki Universität für Technologie. „Die Handykonzerne haben noch keine befriedigende Lösung gefunden!“

„UMTS macht Handy-Batterie im Nu leer“

Auch Thomas Spiegelmeier, Technologieexperte bei der Unternehmensberatung Mummert+Partner, bestätigt: „Die Prozessorleistung bei UMTS ist enorm hoch und frisst Batterieleistung.“ Spiegelmeier bezieht sich auch auf die Aussage eines Ericsson-Mitarbeiters.

Ericsson-Konzernsprecher wollten sich gegenüber FAZ.NET zu dieser Frage nicht äußern. Einzig, dass der schwedische Konzern derzeit seinen Rollout-Zeitplan für UMTS-Handys überarbeitet, wurde bestätigt - die geplante Markteinführung wird sich also weiter verzögern.

„UMTS-Übertragungsraten von zwei Megabit/s sind utopisch!“

Das Problem stellt sich wie folgt: Natürlich arbeiten Experten daran, Prozessoren zu entwickeln, die weniger Energie brauchen, und sie arbeiten daran, Handy-Batterien leistungsfähiger zu machen. „Doch das so konzipierte Endgerät wird dann natürlich sehr, sehr teuer“, so Spiegelmeier. Mobilfunkkonzerne müssten die UMTS-Handys erneut subventionieren - eine enorme finanzielle Belastung, wenn man auf den Massenmarkt schielt. Und es würde die UMTS-Investitionen um weitere Milliardenbeträge in die Höhe treiben. Keine gute Prognose, wenn man die derzeit finanziell angespannte Situation der Mobilfunkkonzerne betrachtet.

„Es ist mittelfristig unmöglich, Handy-Batterien zu produzieren, die gleichzeitig leistungsfähig sind und dazu noch erschwinglich“, sagt Karila. „Übertragungsraten von zwei Megabit/s sind utopisch!“  Der finnische Wissenschaftler hält eine Übertragungsrate von 100 Kilobit/s für realistisch - dann würden die Handy-Batterien eine befriedigende Leistungsdauer erbringen, ohne die Kunden zu frustrieren.

Das Dilemma mit UMTS

Genau hier beginnt jedoch das Dilemma. „Denn auf dieser Basis sind Multimediaanwendungen, wie sie von UMTS-Investoren immer wieder erwähnt werden, unmöglich. „Live-Videostreaming bringt bei dem Tempo keinen Mehrwert für den Kunden“, urteilt Karila.

GPRS ist billiger und reicht völlig aus

Und damit verliert UMTS seinen Vorteil gegenüber unvergleichlich billigeren Übertragungsstandards wie GPRS. Dieses derzeit in Europa installierte Netzwerk kann preisgünstig auf eine Übertragungsgrate von 100 Kilobit/s getrimmt werden. „Wenn GPRS schon alles das kann, was UMTS bieten wird, warum sollten die Kunden da auf UMTS-Services umsteigen?“, wundert sich Karila. Die Frage klingt simpel - doch eine Antwort bleiben die Konzerne bislang schuldig.

 

http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=uptoday/content.asp&doc={8E84B38E-6FF5-4E8A-A55F-AB46FF550D6E}&rub={3B218613-44DF-4BB7-945F-342BAF3A6A1E}

Aus der FTD vom 15.1.2002

Studie: UMTS braucht eine längere Anlaufzeit

Von Bernd Schröder

Noch halten Telekomfirmen und Handyhersteller an den Plänen fest, ab Sommer mit UMTS die dritte Mobilfunkgeneration zu starten. Doch massive technische Probleme werden eine nennenswerte Verbreitung von UMTS-Handys mindestens bis ins Jahr 2004 hinauszögern.

Zu dieser Einschätzung kommt eine Studie der Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB). Danach wird frühestens 2006 jeder vierte Mobilfunknutzer ein UMTS-Handy sein Eigen nennen. Das Zusammenspiel zwischen der heute verbreiteten Mobilfunktechnik und UMTS ist nach Ansicht der CSFB-Analysten eine bislang ungelöste Herausforderung". Da UMTS zunächst ausschließlich in Ballungsräumen Einzug erhalten wird, müssen die Handyverbindungen in anderen Regionen auf das heute bestehende Mobilfunknetz zurückgreifen können. Kaum jemand würde voraussichtlich 500 Euro für ein Handy ausgeben, das nur in der Großstadt funktioniert. Die Netzwerke arbeiten jedoch mit völlig unterschiedlichen Übertragungsverfahren. Daher halten die CSFB-Experten das reibungslose Umschalten zwischen den Netzen für das größte Einzelproblem", mit dem UMTS zu kämpfen hat. Bis dies funktioniere, könnten noch mehrere Jahre vergehen.

Doch auch die Handys müssen die alte und neue Mobilfunktechnik beherrschen und ebenfalls problemlos zwischen beiden Standards wechseln können. Bislang habe noch kein Hersteller gezeigt, dass er diese Hürde schon gemeistert habe. Geräte, die uneingeschränkt in beiden Netzwerken funktionieren, werden daher nicht vor 2004 in

ausreichender Zahl auf dem Markt sein, glauben die Banker. Unterdessen sieht CSFB weitere Schwierigkeiten bei der Entwicklung von UMTS-Handys. Diese werden zunächst nicht annähernd so lange in Betrieb bleiben können, wie es der Kunde von den heutigen Geräten gewohnt ist. Die Akkus der UMTS-Prototypen halten kaum länger als eine Stunde, wenn Daten übertragen werden. Da von der Batterietechnik keine wesentliche Verbesserung zu erwarten ist, setzen die Hersteller auf sparsamere Chips. Diese sollen jedoch nicht vor 2005 auf den Markt kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass die zunächst versprochene Geschwindigkeit der Datenübertragung nicht annähernd erreicht wird. Laut CSFB wird UMTS nur etwa doppelt so schnell sein wie heute GPRS, das ebenfalls Internet via Mobilfunk bietet. (c) 2002 Financial Times Deutschland http://www.ftd.de/tm/tk/FTDEQ8G9HWC.html?nv=tn-rs

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