Den Unsinn vom "Schadensersatz" entlarvt

Hessischer Landesverband Mobilfunksenderfreie Wohngebiete informiert

Hallo liebe Mitstreiter,

In letzter Zeit häufen sich die Meldungen, wonach die Mobilfunknetzbetreiber mit der Androhung von Schadenersatzansprüchen ihre Geschäftspolitik untermauern.

So ist z.B. bekannt dass Vermieter von Antennen-Aufstellorten (Kirchengemeinden, Kommunen, private Vermieter), welche die Antennen-Mietverträge auflösen wollten, massiv mit Schadenersatzforderungen unter Druck gesetzt wurden. Ebenso wird bei genehmigenden Behörden vorgegangen.

In einem konkreten Fall titelte die Frankfurter Rundschau vom 03.11.2001 "Müssen Stadträte selbst zahlen?" - Die Bauaufsicht der Stadt Homburg v.d.H. hatte die Magistratsmitglieder darauf aufmerksam gemacht, dass "Haftungsansprüche auch gegen einzelne Magistratsmitglieder geltend gemacht werden", falls diese die nachträgliche Genehmigung von sechs Mobilfunksendeanlagen versagen würden. Hierzu nahm die Rechtsanwaltskanzlei Ronimi und Otto, Oberursel, mit beigefügtem Schreiben vom 05.11.2001, als Pressenotiz an die Frankfurter Rundschau, Stellung.

In Kenntnis dieser Vorgehensweise ist zu überlegen, inwieweit mobilfunkgeschädigte Opfer den Betreibern gegenüber Schadenersatzansprüche ankündigen sollten.

Mit herzlichen Grüßen
Eberhard Männche

 

Jürgen Ronimi -  Stephan Otto  -  Rechtsanwälte  Oberursel den 05.11. 2001 r/nr

Büro Oberursel
Rechtsanwalt Jürgen Ronimi

Nassauer Straße 60. 61440 Oberursel Telefon. 06171/52091 Telefax; 06171/52092

Büro Frankfurt

Rechtsanwalt Stephan Otto

Freiligrathstraße 53, 60385 Frankfurt Telefon: 069/460 069 01 Telefax: 069/460 069 02

 

An die Frankfurter Rundschau / Telefax-Nr.: 069-21993619

Ihr Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 03.11.2001 „Müssen Stadträte selbst bezahlen?"

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr Korwisi hat als Leiter der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Bad Homburg gegenüber den Me­dien erklärt, daß er verpflichtet sei, den Magistrat darauf hinzuweisen, daß Mobilfunkbetreiber auch gegenüber einzelnen Mitgliedern des Magistrats Haftungsansprüche geltend machen könn­ten, falls die Genehmigung des Betriebs dieser Mobilfunksendeanlagen von der Stadt Bad Homburg nicht erteilt wird. Die Nichterteilung dieser Genehmigungen sei rechtswidrig, und deshalb wurden sich zugunsten der Mobilfunkbetreiber möglicherweise Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB ergeben.

Diese Angst des Herrn Korwisi wird bedauerlicherweise derzeit auch noch von den Bauauf­sichtsbehörden anderer Gemeinden in Hessen und insbesondere im Hochtaunuskreis, allerdings völlig unbegründet, geteilt. Soweit Herr Korwisi die Auffassung vertritt, die Versagung der Ge­nehmigung von Mobilfunksendeanlagen in Wohngebieten sei rechtswidrig, ist diese schlichtweg falsch und basiert entweder auf

a)  den bewußten Fehlinformationen und abwegigen Drohungen mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Mobilfunkbetreiber,

oder

b) auf schlechter und unzutreffender Rechtsberatung.

 

Zu a): Seitdem sich in ganz Deutschland organisierter Widerstand gegen den Betrieb von Mobilfunksendeanlagen in Wohngebieten massiv regt, werden Bürger, Gemeindevertreter und Hauseigentümer, die zunächst mit der Installation einer solchen Anlage auf dem Dach ih­res Gebäudes einverstanden waren und diese jetzt gerne entfernt wissen möchten, von den Mobilfunkbetreibern nachhaltig verängstigt und unter Druck gesetzt.

Zu b): Weder Herr Korwisi noch eine sonstige Gemeinde in Deutschland muß befürchten, falls Genehmigungen zu dem Betrieb von Mobilfunksendeanlagen in Wohngebieten nicht er­teilt werden, aus Amtspflichtverletzung auf Schadenersatz zu haften. § 839 BGB setzt vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten einer Bauaufsichtsbehörde voraus, und diese beiden Voraussetzungen können niemals erfüllt sein, wenn sich die Behörde auf eine an­dere, vertretbare Rechtsauffassung stützt, auch wenn diese bisher von unseren Gerichten nicht geteilt wird. Unser Rechtssystem kennt kein Präzedenzrecht, wie dies beispielswei­se in Amerika gilt, und nach dem über bestimmte juristische Sachverhalte auf Basis be­reits ergangener Urteile Recht gesprochen wird. In der Bundesrepublik ist jeder Richter bei seinen Entscheidungen ausschließlich seinem Gewissen unterworfen, und genau die­ses Rechtssystem dient der Rechtsfortbildung und führt natürlich dazu, daß unter Berück­sichtigung gesellschaftlicher Veränderungen bisher maßgebliche Urteile der Gerichte aufgehoben oder der diesen zugrunde liegende gleiche Sachverhalt von den Gerichten konträr zur bisherigen Rechtsprechung beurteilt wird.

Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Magistrats der Stadt Bad Homburg, die hier in Rede stehenden 6 Mobilfunksendeanlagen nicht zu genehmigen, ergibt sich wortwörtlich aus den §§ 29ff BauGB. Gemäß § 36 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben, und hierzu gehört auch die beabsichtigte Installation einer Mobilfunksendeanlage, im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Dieses Einvernehmen liegt gerade im Fall der Stadt Bad Hom­burg nicht vor, denn das Parlament hat sich mehrheitlich gerade gegen den Betrieb dieser 6 Mobilfunksendeanlagen ausgesprochen.

 

Darüber hinaus sollte sich Herr Korwisi mit § 34 Abs. l Satz 2 BauGB auseinanderset­zen. Dort heißt es nämlich ausdrücklich, daß auch bei einem Vorhaben, wie dem Betrieb einer Mobilfunksendeanlage die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhält­nisse gewahrt bleiben müssen! Daß es sich bei Mobilfunksendeanlagen um bauliche Anlagen im Sinne des BauGB han­delt, hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel jedenfalls für Hessen höchstrichterlich bereits festgestellt. Somit sind die Gemeinden aufgerufen, zu prüfen, ob im Sinne von §34 BauGB Mobilfunksendeanlagen für ihre nachbarschaftliche Umgebung gesundheitsschädlich sein können oder nicht. Hierbei ist zweifelsohne die 26. BlmSchV heranzu­ziehen, deren Grenzwerte nach der zwischenzeitlich überwiegenden Ansicht der Wissenschaftler in aller Welt, die auf dem Gebiet der Mobilfunkforschung tätig sind, allerdings die gefährliche athermische Strahlung dieser Antennenanlagen von vornherein überhaupt nicht berücksichtigt haben. Dies hat im übrigen das Landgericht Frankfurt mit seinem bahnbrechenden Urteil vom 28.09.2000 nach sorgfältiger Prüfung ebenso gesehen, und auch das Oberlandesgericht Frankfurt, das meinte, dieses Urteil aufheben zu müssen, hat in seinen Entscheidungsgründen betont, daß die Grenzwerte der 26. BlmSchV wahr­scheinlich untauglich sind.

Weiterhin ist jeder Entscheidungsträger verpflichtet, gleichgültig ob Gemeindevertretung oder Gericht, Artikel 2 unseres Grundgesetzes zu beachten, der das höchste Rechtsgut der Bürger unseres Landes, nämlich die körperliche Unversehrtheit bereits vorbeugend schützt.


Im übrigen haben neben der Stadt Bad Homburg auch zahlreiche andere Gemeinden in Deutschland, nicht zuletzt auch das Hessische Lohra, die Genehmigung für Mobilfunksendeanlagen in Wohngebieten unter Bezugnahme auf die einschlägigen Vorschriften des BauGB nicht erteilt. Nur als ein Beispiel sei die Gemeinde Lohra bei Marburg genannt, die eine im Betrieb befindliche Mobilfunksendeanlage in der Nähe eines Wohngebiets nicht genehmigt und diesbezüglich eine Entscheidung der oberen Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf herbeigeführt hat. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf bestätigte die Rechtsauffassung der Gemeinde Lohra und verwies den betref­fenden Mobilfunkbetreiber auf den Verwaltungsrechtsweg.


Die in Lohra bis dahin betriebene Mobilfunksendeanlage der Mannesmann Mobilfunk ist abgeschaltet!

Wenn die deutschen Gerichte bisher überwiegend zugunsten der Mobilfunkbetreiber ent­schieden haben, so hat meiner Ansicht nach diese Rechtsprechung mit der eines demo­kratischen Rechtsstaats nichts mehr zu tun. Rein wirtschaftlichen Erwägungen wird von den Gerichten mehr Bedeutung beigemessen als dem berechtigten Anspruch des Bürgers auf Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit. Die 26. BImSchV mit ihren Grenzwerten ist zumindest derzeit immer noch „die heilige Kuh" unserer Gerichte, die nicht ge­schlachtet werden darf, obwohl deren Tauglichkeit von einer starken, seriösen Wissen­schaft, allein in Deutschland sind dies mindestens 15 noch amtierende Universitätsprofes­soren, in überzeugender und nachvollziehbarer Weise bezweifelt wird. Dennoch muten die einschlägigen Entscheidungsträger den Bürgern unseres Landes zu, auch künftig auf unbestimmte Zeit als Versuchskaninchen der Mobilfunkbetreiber herhalten und die Be­weislast für die Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunksendeanlagen in der Nähe ihrer Wohnungen tragen zu müssen.

Nach alledem sollten die Gemeinde Vertreter und kommunalen Verwaltungen sofort zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurückfinden, nämlich zum Wohl der Bürger ihrer Gemeinde tätig zu werden, und dies heißt nichts anderes, als deren gesundheitliche Unversehrtheit schon vorbeugend zu schützen. § 35 Abs. l Ziffer 3 BundesBauGB regelt unmißver­ständlich, wohin Mobilfunksendeanlagen hingehören, nämlich in den Außenbereich einer Gemeinde.

Schließlich ist für keine Gemeinde in Hessen momentan absehbar, wie der VGH in Kas­sel in einem Rechtsstreit letztinstanzlich bei dem heutigen Wissenstand urteilen würde, sollte ein Mobilfunkbetreiber wegen einer nicht erteilten Genehmigung des Betriebs seiner Anlage den Verwaltungsrechtsweg begehen.

Für weitere Informationen stehe ich gerne zur Verfugung.

Mit freundlichen Grüßen

- Rechtsanwalt -