Aktueller Überblick / Dr. Wachsmuth

Rechtliche Möglichkeiten, gegen Mobilfunksender vorzugehen - Auszug

Referentin: Frau Dr. B. Wachsmuth

 

Frau Dr. Wachsmuth legte in ihrem einführenden Referat die aktuelle Rechtssprechung in Sachen Mobilfunksender dar. Danach gibt es drei Ansatzpunkte:

 

1. Verwaltungsgerichtsverfahren - die Nachbarklage

2. zivilrechtliche Ansprüche

3. Ausstieg aus einem bestehenden Vertrag

 

Allgemeine Voraussetzungen

 

Außer in Bayern sind mittlerweile in allen anderen Bundesländern Mobilfunkantennen genehmigungspflichtig. Dies wurde in Urteilen von mehreren Oberlandesgerichten bestätigt. Baurecht ist Landesrecht. In Baden-Württemberg sind zwar Antennen bis zu einer Höhe von 10 m genehmigungsfrei, nach einem Urteil des VGH Mannheim, 8. Senat, vom Feb. 2002 sind aber die notwendigen Unterbauten in die Gesamthöhe einzubeziehen; damit werden die Anlagen genehmigungspflichtig. Dies gilt rückwirkend!

 

Außerdem ist bei reinen Wohnhäusern und Bürogebäuden (mit Geschäften) von einer Umnutzung (§65 LBO - baunachbarschaftliches Rücksichtsgebot) auszugehen, die genehmigungspflichtig ist, weil Mobilfunk-Basisstationen eine gewerbliche Nutzung – etwa analog einer Kfz-Werkstatt - darstellen. Dies trifft auch für den Außenbereich mit landwirtschaftlicher Nutzung, z. B. Tierhaltung, zu, da Landwirtschaft keine gewerbliche Nutzung ist. Liegt keine Baugenehmigung für den Sender vor, besteht also eine rechtliche Handhabe.

 

Die Betreibergesellschaft muss bei der Kommune einen Bauantrag einreichen, über den die Gemeinde-/Stadtverwaltung binnen 4 Wochen zu entscheiden hat. Eine Handhabe, Bauanträge abzulehnen, hat die Kommunalverwaltung nur, wenn sie mittels Gestaltungssatzung oder Standortplan/Bebauungsplan Vorgaben erlassen hat. Dies sollte sie auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens tun, um gegen mögliche Schadensersatzansprüche abgesichert zu sein! Ohne Bebauungsplan können die Betreiberfirmen der Kommune die Standorte weitgehend diktieren. Ein Bauantrag kann aber auch abgelehnt werden, wenn bereits eine ausreichende Netzabdeckung vorhanden ist. (70 % gelten als ausreichend.) Dies gilt auch im Außenbereich, wo Mobilfunk-Basisstationen als privilegiert gelten. Die Frage der Privilegierung ist zwar umstritten, bislang decken die Gerichte aber diese Auffassung. In der Vergangenheit sind die meisten Antennen ohne Baugenehmigung errichtet worden. Nach aktueller Rechtsprechung sind sie deshalb als Schwarzbauten zu betrachten.

 

Ad 1: Verwaltungsgerichtsverfahren - die Nachbarklage

 

Einspruchsberechtigt gegen einen Bauantrag sind nur unmittelbare Anlieger. Dasselbe gilt für einen Eilantrag auf Baustopp bei einer Nutzungsänderung mit der Zielsetzung, dass das Gericht ein Nutzungsverbot ausspricht. Nur direkten Anwohner billigen die Gerichte bislang ein besonderes Interesse zu, das zum Einspruch berechtigt. Dabei ist von einem Radius von 30 m, max. 50 m, um das Antennenprojekt auszugehen.

 

Da die Anlieger in der Regel nicht über einen Bauantrag informiert werden, können sie meistens unbefristet Einsprüche dagegen geltend machen. Betroffene Nachbarn können sich ggf. zu einer Klägergemeinschaft zusammenschließen. Als Kläger auftreten sollte der Anwohner, der die besten Erfolgsaussichten hat. Die Bürgerinitiative sollte das Kostenrisiko übernehmen.

 

Ad 2: Zivilrechtliche Ansprüche

 

Seit das OLG Hamm kürzlich in einem einschlägigen Urteil festgestellt hat, dass Mobilfunksender so harmlos nicht sind, und damit der Klage eines Eigentümers gegen die Eigentümergemeinschaft statt gab, haben sich die Aussichten für zivilrechtliche Klagen erheblich verbessert. Allerdings sind Schadensersatzklagen (wegen Wertminderung) aussichtslos, wenn eine Baugenehmigung für den Mobilfunksender vorliegt. Dann gilt die Zumutung als allgemeines Lebensrisiko. Zivilrechtliche Klagen haben Erfolgschancen, wenn keine Baugenehmigung vorliegt.

 

Ad 3: Ausstieg aus einem bestehenden Vertrag

 

Aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und der Praktiken des Vertragsabschlusses sieht Frau Dr. Wachsmuth insbesondere bei Mannesmann-Verträgen gute Chancen, aus dem Vertrag herauszukommen. Hier seien ihrer Ansicht nach die rechtlichen Bestimmungen für Haustürgeschäfte anzuwenden. Mannesmann-Verträge haben in der Regel eine Laufzeit von 20 Jahren. Das ist anfechtbar.

 

Aufruf an Alle: Frau Dr. Wachsmuth sucht als Beweismittel weitere Mannesmann-Verträge mit diesen Knebelbedingungen.

 

Ratschläge, Erfahrungen und Überlegungen (aus der Diskussion):

 

So lange herummachen, bis sich das Projekt für den Betreiber nicht mehr lohnt. Erfahrungsgemäß zieht er sich dann zurück.

 

Die Tatsache der vorhandenen Netzabdeckung muss von der Gemeinde festgestellt werden. Wichtige Vorarbeit, die von der Bürgerinitiative zu leisten ist: Ermitteln, welche Anlagen es in der Umgebung bereits gibt.

 

Erfahrungsgemäß ziehen sich die Betreiber auch nach ablehnenden Gemeinderatsbeschlüssen zurück, da sie OLG- Beschlüsse vermeiden.

 

Rechtlich bestehen bessere Chancen, sich gegen Eingriffe in das Grundeigentum zu wehren als gegen gesundheitliche Schädigungen. Die Gerichte folgen bislang auch nicht der Auffassung, dass die Bürger einen Rechtsanspruch auf vorsorgenden Gesundheitsschutz hätten.

 

Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde wäre zu klären, ob Bürger so weitgehende Eingriffe in ihr Grundeigentum ohne gesetzliche Grundlage hinnehmen müssen, da die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung bisher die ausschließliche Rechtsgrundlage darstellt, nach der Grenzwerte und Genehmigungsverfahren geregelt werden.

 

Da Deutschland EU-Richtlinien nur schleppend umsetzt, könnten Klagen auf EU-Ebene möglicherweise aussichtsreich sein.

 

Auch wäre zu klären, ob Mobilfunkgeschädigten ein Notwehrrecht nach BGB zuerkannt werden müsste.

 

Wie die Erfahrungen inzwischen gezeigt haben, kriegen die Betreiber auch kalte Füße, wenn an einem Standort Blutuntersuchungen mit mehr als 30 Probanden durchgeführt werden, weil sie positive Nachweise fürchten.

 

Prozesskosten: Rechtsschutzversicherungen zeigen sich in der Regel wenig willig, Kostendeckung für Mobilfunk-Klagen zu übernehmen. Ggf. ist eine Deckungsklage erforderlich.

 

Wenn der Ortschaftsrat das Baugesuch für einen Mobilfunksender abgelehnt hat und der Bürgermeister ihn dennoch im Rahmen einer Eilentscheidung genehmigt, ist diese Entscheidung mutmaßlich rechtswidrig.

 

Wenn eine Antenne innerhalb der Ortsbebauung überwiegend der überörtlichen Versorgung (vorbeiführende Bundesstraße) dient, muss die Antenne trotzdem von der Ortsbevölkerung hingenommen werden.

 

Denkmalschutzämter machen in der Regel keinen Gebrauch von ihren Einspruchsmöglichkeiten.

 

Ggf. sind Gemeinderatsbeschlüsse, mit denen Antennen genehmigt wurden, anfechtbar, wenn Gemeinderäte mitgestimmt haben, die Anlieger der Antenne sind. Bei Bebauungsplänen wird hier Befangenheit angenommen. Dasselbe hat bei Antennenanlagen zu gelten.

 

Wenn eine Gemeinde für ein Gebiet einen Bebauungsplan festlegt, kommt sie damit ggf. aus Verträgen mit langen Laufzeiten heraus.

 

Ein Bauantrag kann so lange zurückgestellt werden, bis ein Bebauungsplan verabschiedet ist. So lange unter den Stadt-/Gemeinderäten keine Einigkeit über den Bebauungsplan erzielt werden kann, kann das Baugesuch damit auf Eis gelegt werden.

 

Herr Ruh weist darauf hin, dass Stadträte in aller Regel überfordert sind, längere Schriftstücke zu lesen. Am aussichtsreichsten sei es, zu Bürgerfragestunden hinzugehen. Da seien alle Bürgervertreter und die Presse anwesend. Dort sollten die Anliegen vorgetragen werden.

 

Frau Dr. Wachsmuth ist für weitere Rechtsauskünfte in ihrer Kanzlei in Meßkirch erreichbar unter Tel. 07575 - 93367.

 

Kurzbericht von Prof. Lotz: An der Ev. Akademie in Schwerte hat kürzlich eine Tagung zum Thema „Zivilcourage in gefährlichen Zeiten - Verantwortliches Handeln in Wissen und Gesellschaft“ stattgefunden. Als Referenten vertreten waren namhafte Leidtragende wie Dr. von Klitzing, Prof. Erich Schöndorf u. a. Sie haben aus ihrem Erfahrungsbereich berichtet, wie unliebsame Forschungsergebnisse und Fakten sowie deren rechtliche Geltendmachung zugunsten wirtschaftlicher Interessen unterdrückt werden. Diejenigen, die trotzdem für Wahrheit und Gerechtigkeit eintreten, werden in ihrer beruflichen Existenz bedroht, gemobbt und ausgegrenzt. Von der Ev. Akademie Schwerte wird ein Tagungsband mit den Beträgen herausgegeben. Wer daran interessiert ist, sollte direkt dort oder bei Herrn Prof. Lotz nachfragen.

 

Protokoll vom Treffen des Mobilfunk-Regionalforums Bodensee-Oberschwaben am 14. Juli 2002 in Ravensburg

Protokoll: Ruth Gill für Rückfragen: ruth.gill@freenet.de             BI Omega 020718R star.mail@t-online.de                     
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