Baurecht / Hechingen

VGH Baden-Württemberg AZ 8S 1848/98 v. 26.10.98 / Stadt Hechingen

Aus der Begründung:

"...... das Vorhaben der Klägerin ist aus anderen Gründen nicht verfahrensfrei. Die Errichtung der Mobilfunkstation stellt nämlich zugleich eine Änderung der Nutzung des Gebäudes Böllatweg 4 dar. Denn sie fügt der bisherigen ausschließlich im Wohnen bestehenden Nutzungsart eine neue hinzu, die die Variationsbreite individueller Gestaltungen einer Wohnnutzung überschreitet. Das unterscheidet, was die Klägerin verkennt, den vorliegenden Fall von demjenigen einer Amateurfunkerantenne (vgl. etwa:

BVerwG, Beschluß v. 23.6.1993 - 4 B 7 93 - Buchholz 406.12 §.14 BauNVO Nr. 8): Wenn ein Hausbewohner eine derartige Antenne anbringt, erweitert er lediglich die Wohnnutzung um eine zuvor nicht vorhandene Variante, die aber als Hobby Ausdrucksform des Wohnens bleibt Hier wird dagegen - losgelöst von den Wohnbedürfnissen der Hausbewohner - eine neue gewerbliche Nutzung von außen (von einem "Hausfremden") an das Gebäude herangetragen. Damit ändert sich die Funktion dieses Hauses, was zur Annahme einer Nutzungsänderung i.S.d. § 50 Abs. 2 LBO ausreicht, obwohl der Benutzungszweck des Hauses im übrigen vollständig erhalten bleibt (vgl . Ruf, a.a.O., RdNr. 4; Sauter, a.a.O., RdNr. 199,Jeweils m.w N.).
Diese Nutzungsänderung ist nicht verfahrensfrei, weil für die neue (hinzugekommene) Nutzung weitergehende Anforderungen gelten (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO). Das gilt zum einen im Hinblick auf die besonderen Anforderungen der Verordnung über elektromagnetische Felder - 26 BImSchV (v. 16.12 1996, BGBI. l S 1966), die in § 2 i.V. m. Anhang 1 Grenzwerte für die elektrische und magnetische Feldstärke festsetzt. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegensetzen, der Verordnungsgeber habe in § 7 der 26. BImSchV lediglich ein Anzeigeverfahren vorgesehen. Denn dort wird nur das immissions-schutzrechtliche Verfahren geregelt, ohne daß dadurch bauordnungsrecht!iche Genehmigungserfordernisse ersetzt wurden. Dies zeigt sich schon daran, daß - offenbar auch nach Ansicht der Klägerin - bei Überschreitung der Abmessungen ces § 50 ADS 1 LBO i V m Nr 26 des Anhangs ohne Zweifel die baurechtliche Genehmigungspflicht eingreift, sofern nicht vom Kenntnisgabeverfahren (vgl. §51LBO) Gebrauch gemacht werden kann, was hier aber nicht in Rede steht Davon abgesehen gelten im Hinblick auf die Installationen im Betriebsraum auch weitergehende brandschutzrechtliche Anforderungen (vgl. § 15 LBOAVO).

Das Vorhaben ist damit baugenehmigungspflichtig (§ 49 LBO), weshalb der Hauptantrag der Klägerin unbegründet ist.

II. Die Beklagte hat die Genehmigung der Mobilfunk-Basisstation zu Recht abgelehnt; ihr stehen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (vgl. § 58 Abs. 1 LBO), so daß auch die Hilfsanträge keinen Erfolg haben können.

Als Hauptnutzung wäre - was auch die Klägerin nicht anders sieht - die Basisstation eines gewerblichen Mobilfunkunternehmens in dem reinen Wohngebiet nicht zulässig. Sie ist auch nicht als Nebenanlage i.S.d. § 14 Abs. 1 BauNVO (zur Anwendung kommt im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans "First"' die BauNVO 1968, vgl.: BVerwG, Urt. v 5.12,1986 -4 C 31.85 - DVBI. 1987, 486= PBauE § 12 BauGB-Nr. 7) genehmigungsfähig. Denn sie dient nicht dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst. Aus der von der Klägerin vorgelegten Untersuchung von Standortalternativen folgt vielmehr, daß die Station der Versorgung von ganz Hechingen und Umgebung dienen soll. Das Fehlen der in § 14 Abs. 1 BauNVO genannten Kriterien haben die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung letztlich auch selbst eingeräumt. Daraus folgt zugleich, daß auch eine ausnahmsweise Zulassung in erweiternder Auslegung des § 14 Abs. 2 BauNVO 1968, dessen Wortlaut Telefonanlagen nicht erwähnt, nicht in Betracht kommt. Die Klägerin hat zwar für ihre abweichende Ansicht (ältere) Kommentarliteratur angeführt, wonach auch Telefonanlagen Nebenanlagen (allerdings im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO1) sein können. Das allein rechtfertigt aber noch nicht die ausnahmsweise Zulassung nach § 14 Abs. 2 BauNVO 1968, denn auch diese Vorschrift setzt voraus, daß die Anlage der Versorgung der Baugebiete dient. Hier geht es aber - wie ausgeführt - um die Versorgung mehrerer Gemeinden.

Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 31 Abs.2 BauGB) nicht vor, weil jedenfalls die Grundzüge der Planung berührt werden. Zu diesen Grundzügen gehört vorliegend die Entscheidung des Satzungsgebers, durch den Ausschluß von Läden, Handwerks- und Beherbergungsbetrieben, die "an sich" nach § 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig wären, und insbesondere durch die , sich auf Antennen und Leitungen beziehenden Festsetzungen auf der Grundlage des § 111 Abs. 1 Nr. 3 und 4 LBO a.F., derartige gewerbliche Anlagen so weit wie irgend möglich von dem Baugebiet "First" fernzuhalten. Er wollte lediglich eine Sammelantenne (mit Anschluß und Benutzungszwang) zulassen; jede weitere Antenne, auch wenn sie anderen als Zwecken von Rundfunk und Fernsehen dient, würde diesen grundlegenden planerischen Willen tangieren. Im übrigen zeigt wiederum die bereits erwähnte Untersuchung von Standortalternativen, daß die Argumentation der Klägerin, sie sei aus technischen Gründen darauf angewiesen, die Mobilfunkstation gerade auf und in dem Gebäude Böllatweg 4 errichten zu können, nicht zutrifft. Denn die -jedenfalls für die Innerortsversorgung technisch geeignete - Alternative einer Errichtung auf und in dem Gebäude der Kreissparkasse wurde schon nach Vorkontakten mit dem Eigentümer nicht mehr weiterverfolgt. Davon abgesehen gibt es keinen plausiblen Grund dafür, daß andere, eventuell einen höheren Aufwand erfordernde Lösungsmöglichkeiten, die das sensible Baugebiet "First" verschonen, nicht gefunden werden könnten. Derartiges wurde auch von den Vertretern der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben."