UMTS: die bittere Erkenntnis...

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UMTS-Ernüchterung in Japan

Aus der FTD vom 19.6.2002

 

Der japanische Mobilfunkanbieter NTT Docomo hat als weltweit erstes Unternehmen den Mobilfunkdienst der dritten Generation, UMTS, gestartet. Die erste Bilanz fällt ernüchternd aus.

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Es ist wie verhext. "In dem Land daddelt jeder auf dem Handy bis zum Verrücktwerden", sagt Uwe Bergheim, Chef des deutschen Mobilfunkanbieters E-Plus. Trotzdem nehmen die Menschen eine neue Technik schleppender an als erwartet. Es ist fast so, als wenn in Deutschland der neueste VW Golf floppen würde. Der schwache Start verleitet Tachikawa sogar dazu, seine früheren Prognosen zurückzunehmen. Er erwartet neuerdings, dass UMTS seinen wirtschaftlichen Gipfel erst 2010 erleben wird - deutlich später als bislang

behauptet.

 

Branche vor dem Abgrund

 

Die Nachricht aus Japan trifft die Mobilfunkbetreiber in Europa ins Mark. Sie haben vor zwei Jahren mehr als 100 Mrd. Euro an Lizenzgebühren

für die UMTS-Technik bezahlt, eine ähnliche Summe geben sie für den Aufbau der Infrastruktur aus. Wenn die neue Technik bei den Kunden

durchfällt, steht die gesamte Branche samt Handy- und Netzausrüstern vor dem Abgrund.

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Ernüchterung in Japan

 

In Japan sieht man die Dinge deutlich nüchterner. Die Ursachen für die Anfangsschlappe meint Tachikawa schon ausgemacht zu haben: "Die

Batterie des UMTS-Handys ist zu schwach. Wir erreichen mit unserem Mobilfunknetz nicht genügend Menschen und Regionen. Und wir haben keine speziellen Inhalte angeboten."

 

Zumindest nichts, was die NTT-Docomo-Kunden nicht schon heute mit dem bisherigen Mobilfunkstandard über das Portal I-Mode nutzen könnten. Viele Japaner schreiben auf ihren Telefonen Mails, laden sich Spiele, Musik, neue Klingeltöne oder Handylogos herunter. Sie lesen Nachrichten oder knipsen Fotos, die sie dann per E-Mail verschicken. So wie die jungen Leute in Shibuya, einem der vielen Shopping-Viertel im Osten Tokios. Rot, orange, gelb und grün blinken die Reklamebuchstaben in die Nacht. Aus den Hi-Fi- und Designerläden dröhnt japanischer Pop. Kaum jemand in dem Getümmel telefoniert mit seinem Handy. Die Passanten halten ihre Geräte mit fast ausgestrecktem Arm auf Brusthöhe, um das Display anzuschauen.

 

Die Euphorie für die technischen Möglichkeiten scheint in Japan grenzenlos. "Das ist die neue Form, das Handy zu nutzen. Da müssen wir auf der ganzen Welt hinkommen", jubelt Kazutomo Robert Hori, Vorstandschef von Cybird, einem Unternehmen, das auf das mobile Internet spezialisiert ist.

I-Mode bringt Bevölkerung zum Schweigen

 

"In Japan ist das Handy ein Statussymbol", sagt Chris-Oliver Schickentanz, Stratege beim Dresdner Bank Anlagemanagement. Ein erfolgreiches

überdies: Fast 33 Millionen Kunden gewann NTT Docomo seit dem Start von I-Mode vor zweieinhalb Jahren, fast die Hälfte aller japanischen Handynutzer. Mit dem Dienst hat der Konzern die Nation fast zum Schweigen gebracht. Im März 2000 nahm Docomo mit Gesprächen 8620 Yen (73 Euro) pro Kunde und Monat ein. Heute sind es nur noch 6940 Yen (59 Euro). Dafür schnellte der Umsatz mit Datendiensten nach oben. 2000 waren es erst 120 Yen (1 Euro), nun sind es 1540 Yen (13 Euro).

Die Einführung von UMTS sollte den Datenaustausch noch einmal kräftig beschleunigen. Doch dieser Effekt ist ausgeblieben. Die Kunden fragen sich, warum sie ein teures Handy samt Vertrag kaufen sollten, das ihnen kaum Zusatznutzen bietet. Die Ideen, die Forscher in den Labors von NTT Docomo austüfteln, sind Zukunftsmusik. Das neueste Projekt ist ein UMTS-gesteuerter Haushaltsroboter: "Wie geht’s dir?", erkundigt er sich liebevoll. Er hebt seine Arme, bewegt seine Beine, kann die Wohnung überwachen oder ein elektronisches Auge auf das Baby werfen. Alles per Handy gesteuert. Auf das Display werden die Bilder in Echtzeit gesendet, die der Teleroboter aufnimmt.
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In Europa sieht es kaum besser aus. "Wo sind die Dienste?", fragt immer wieder Kai-Uwe Ricke, Vorstandschef von T-Mobile. Der nach Kundenzahl zweitgrößte Mobilfunkanbieter der Welt verspricht sich von kleinen Sequenzen aus Videofilmen oder Fußballübertragungen die Einnahmen, die er so dringend zur Schuldentilgung braucht. Der Mutterkonzern Deutsche Telekom bemüht sich etwa um die Rechte an der Deutschen Fußball-Bundesliga. Das Unternehmen möchte Torszenen, Fouls oder Elfmeter auf das Handy übertragen. T-Mobile bastelt auch

an Lösungen für Geschäftskunden, die sich mobil mit ihrem Laptop in das Intranet ihres Unternehmen einwählen können. Bislang ist das wegen der niedrigen Übertragungsgeschwindigkeit der Mobilfunknetze kaum möglich.

 

Noch können die Entwickler jedoch nichts Serienreifes vorweisen. Ricke hat den Startschuss für UMTS auf Mitte 2003 verschoben, weil er

seinen Kunden vorher weder funktionierende Telefone noch lukrative Inhalte anbieten kann. Auch Weltmarktführer Vodafone hält sich mit seinem UMTS-Angebot noch zurück. In Japan ist das Unternehmen mit seiner Tochter J-Phone vertreten. Dort sammelt man Informationen über den Markt, die man in Europa nutzen kann.

 

Das japanische Beispiel sollte den Anbietern eine Lehre sein, findet Anlagen-Stratege Schickentanz. "Das Schlimmste, was den europäischen Lizenznehmern passieren kann, sind negative Schlagzeilen in den ersten Monaten."

 

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UMTS: Geldverdienen ist sehr schwer

Der Euphorie über die neue Technik folgt die Ernüchterung

 
Während die Telekomriesen an neuen Diensten für den mobilen Datenverkehr der Zukunft arbeiten und von lukrativen Geschäften träumen, werden sie derzeit an den Börsen gnadenlos abgestraft. Immer mehr setzt sich in der Branche die bittere Erkenntnis durch: Die Trauben im künftigen Mobilfunkgeschäft UMTS hängen hoch.
Zudem zeigen Marktstudien, dass die meisten Handykunden kaum mehr für diese Dienste ausgeben wollen als gegenwärtig für mobile Telefonie.
 
Der UMTS-Euphorie ist längst die Ernüchterung gefolgt: In der Branche gilt als sicher, dass die hohen Kosten zu einer weiteren Konsolidierung des Marktes zwingt. Nicht auszuschließen ist dabei, dass einige Lizenzerwerber scheitern. Allein in Deutschland hatten sechs Bieter die Rekordsumme von knapp 100 Milliarden Mark für die begehrten Schürfrechte gezahlt. Mehr als 200 Milliarden Mark sind es in Europa.
 
MILLIARDEN FÜR DEN NETZAUFBAU
Und damit nicht genug: Zu den reinen Lizenzkosten kommen Beträge in Milliardenhöhe für den Aufbau der UMTS-Netze sowie Zinsen für Kredite und Anleihen hinzu. Wegen der wachsenden Verschuldung stufen Rating-Agenturen zudem die Bonität der Konzerne herunter. Ein Teufelskreis beginnt: Die Aktienkurse fallen weiter und Zinsen für Anleihen steigen. Börsengänge von Mobilfunkfirmen, wie unlängst jener von Orange (France Télécom), geraten fast zum Flop...
Von Peter Lessmann, 9. März 2001 dpa  / ZDF-MSNBC
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