Mobilfunk entwertet Immobilien

München: Häuser in der Nähe von Sendern nahezu wertlos

 

Süddeutsche Zeitung vom 21.02.2002

 

Mobilfunk in München – die erbittert geführte Diskussion dreht sich im Kreis-Auszug-

 

Von Andreas Flessa

 

Was den Mobilfunk angeht, ist München in jeder Beziehung vorn. In keiner anderen deutschen Stadt wird so viel mit dem Handy telefoniert, gleichzeitig regen sich nirgendwo sonst so energisch Proteste, wenn die Mobilfunkbetreiber neue Sendemasten aufstellen wollen. München war Deutschlands erste Kommune, die den Betrieb von Sendemasten auf städtischen Grundstücken und Gebäuden untersagt hat. wenn diese von sensiblen Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen genutzt werden. Für alle anderen Objekte in der Hand der Stadt gilt: Die Sendeleistung der Antennen muss sich an den wesentlich strengeren Schweizer Grenzwerten orientieren.  „Die Stadt unternimmt einiges um ihrer Vorsorgepflicht gegenüber dem Bürger zu genügen“ behauptet dann auch der städtische Umweltreferent Joachim Lorenz.

 

„Das ist nicht genug“, entgegnen die Kritiker und nutzen leidenschaftlich die von den Grünen aus Maxvorstadt, Schwabing und Freimann gebotene Gelegenheit, im Theater „Heppel & Ettlich“ mit dem Referenten zu diskutieren. Bei jeder Markise müsse man den Nachbarn links und rechts um Einwilligung bitten, bei Dachgauben eine Genehmigung der Stadt einholen, warum aber ausgerechnet bei Sendemasten nicht? Wie kann das sein, fragen die Kritiker.

 

„Sendemasten, die kürzer als zehn Meter sind, bedürfen keiner baurechtlichen Genehmigung, entgegnet Lorenz, da habe die Stadt keine Handhabe.

 

„Warum setzen die Eigentümer keine eigenen Standards und weigern sich?“, fragt Lorenz zurück und versucht den Schwarzen Peter weiter zu reichen. Das wiederum ist nicht zuletzt eine Frage des Geldes, denn die Betreiber zahlen bis zu 5000 Euro für das Recht, eine Antenne auf das Dach zu setzen. Die Bewohner bekommen dann die Strahlung ab – und sind machtlos. „Uns gehören die Häuser nicht und wir werden darüber auch nicht informiert“, klagen die Anwohner und Mieter unisono. Sie erfahren in der Regel von den Plänen der Mobilfunkbetreiber erst, wenn der Kran mit den Masten bereits vor dem Haus steht.

 

Das von Rainer Lang vorgetragene Angebot mehrerer Anwälte der Pasinger Initiative gegen Mobilfunk, die Stadt kostenlos zu beraten, welche Möglichkeiten das Baurecht biete, um eine Satzung zu erlassen, die die Aufstellung von Sendemasten regelt, lehnte Lorenz kategorisch ab: „Wir kennen unseren Spielraum!“ Gleichzeitig nimmt die Zahl der Sendemasten rasant zu. Derzeit gibt es 750 Standorte, in den letzten Wochen haben die Betreiber weitere 600 Suchkreise gemeldet, in denen sie Anlagen installieren wollen. Und in der Bevölkerung sorgt der wachsende Antennenwald für Verunsicherung und wachsende Verärgerung.

 

Vielleicht müsse man die Leute da packen, wo es sie am meisten schmerzt: Am Geldbeutel, sagt Makler Hubertus von Medinger. Noch sei es kaum bekannt, aber Häuser, auf denen sich Mobilfunkantennen befinden und auch die Objekte im näheren Umfeld würden von den Käufern gemieden, sie seien nur schlecht zu vermitteln. Auf die Eigentümer komme eine erhebliche Wertminderung zu. Sollte sich das erst einmal herumgesprochen haben, dann würden die Masten ganz schnell wieder verschwinden, da ist sich Medinger fast sicher.

 

„Ich hoffe darauf, dass die Bürger ihre Schadenersatzansprüche geltend machen“ wünscht sich Walter Klein (SPD), Vorsitzender des Bezirksausschusses Schwabing-West, und fordert gleichzeitig ein Anhörungsrecht für die Bezirksausschüsse bei der Standortwahl durch die Mobilfunkbetreiber.

 

Mittlerweile gebe es sogar Sendemasten, die in Litfasssäulen versteckt seien. Beispiel gefällig? Auf dem Kurfürstenplatz, nur zehn Meter von der Filiale der Sparkasse entfernt, steht so ein Objekt. Zwar sende diese Anlage nur mit der geringen Leistung von bis zu zwei Watt. Unterhalb dieses Wertes, müsse noch nicht einmal eine Genehmigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation eingeholt werden. Welche Auswirkungen möglicherweise die Strahlung für die Angestellten der Sparkasse habe, darüber wolle er, Klein, nicht spekulieren.

 

Grundsätzlich müsse man weg von der Diskussion über Grenzwerte und hin zu einer Auseinandersetzung darüber, was politisch wünschenswert sei. Bei der Atomkraft habe diese Diskussion 30 Jahre gedauert, bis man einen Ausstieg beschlossen habe, der sich jetzt noch einmal über 30 Jahre hinziehen werde. Klein hofft, dass das beim Mobilfunk schneller vonstatten gehe.

 

 „Schaffen sie die schnurlosen Telefone ab!“ Direkt am Ohr sei die Strahlung am höchsten. Lorenz selbst hat längst reagiert: Bei ihm zuhause, er hat drei Kinder, gibt es keine Handys und auch keine schnurlosen DECT-Telefone.

 

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BI Omega

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