Drahtlos: "nett aber nicht wichtig"

Die drahtlose Zukunft beginnt mit Verspätung
Konjunkturkrise und Aufbau neuer Netze machen Prognosen zum M-Commerce zunichte

Seit Jahren verheißen die High-Tech-Experten die Zukunft der drahtlosen mobilen Kommunikation: Mit dem Handy alle Bankgeschäfte abwickeln, im elektronischen Buchladen stöbern und den Last-Minute-Flug bezahlen. Doch die Branche weiß nun: »Der Wireless-Markt wird nicht so schnell vom Boden abheben, wie das erwartet worden war.«

Diese Einschätzung äußerte jetzt der Vizepräsident von iAnywhere Solutions (iAS), Jürgen Müller, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. Das zu Sybase gehörende Unternehmen ist mit einem Anteil von 68 Prozent Weltmarktführer bei der Erschließung mobiler Datenbanken.

 

Nur nett, aber nicht wichtig
Als Ursachen für den zögerlichen Aufbruch zum M-Commerce, den Online-Geschäften über mobile Geräte, sieht Müller zum einen die Schwierigkeiten beim Aufbau neuer Netze - Stichwort UMTS und die 100-Milliarden-Investition für die Lizenzen in Deutschland - und zum anderen die derzeitige Konjunkturschwäche.

In der gegenwärtigen Wirtschaftslage gilt der Aufbau mobiler Geschäftswege für Mitarbeiter und Kunden nur als »nice to have«: Es ist ganz schön, wenn man es hat. Aber weil eine solche Investition nicht »mission critical« ist, also nicht über Gedeih oder Verderb eines Unternehmens entscheidet, kommt das zurzeit nicht in Frage. »Mein Optimismus, dass sich das in den nächsten sechs Monate ändert, ist sehr gedämpft«, sagt Müller. Es sei ebenso gut möglich, dass die Flaute auch noch länger anhalten werde.


Vereinzelte Projekte

Hoffnung schöpft Müller aus einzelnen Projekten wie dem ab Ende Dezember von der schwedischen Swedbank (FöreningsSparbanken) geplanten mobilen Banking-Terminal. Das Stockholmer Institut hat schon jetzt eine Million Kunden, die Überweisungen über das Internet abwickeln. Künftig sollen sie diese und andere Transaktionen auch über den Compaq-Westentaschencomputer iPaq verwalten.

Zu den Partnern der Swedbank gehören die schwedische Telekommunikationsfirma Ericsson, die für die Netzinfrastruktur sorgt, und iAnywhere Solutions für die Software zum Zugriff auf die Datenbanken des Geldinstituts. Diese bietet eine ähnliche Funktionalität wie beim Homebanking mit dem HBCI-Standard: Wichtige Daten wie der zuletzt abgerufene Kontostand können auch dann abgelesen werden, wenn keine Internet-Verbindung besteht.

Ebenso lassen sich alle Transaktionen mit der Bank - »außer Schecks einlösen und Geld abheben« - offline vorbereiten. Bei der nächsten Online-Verbindung, etwa zum Abholen der E-Mail, erfolgt dann automatisch eine Synchronisation mit der Bank. Dafür reichen denn auch bereits die bestehenden GSM-Funknetze aus.


Online-Banking als Vorreiter

»Wir sprechen auch mit anderen potenziellen Kunden über die Einführung solcher Projekte«, sagt Müller, der im »Mobile Banking« einen der Schlüssel zum Eintritt in die drahtlose Zukunft sieht. Die viel bemühte »Killer-Applikation« - also die entscheidende Ertragsquelle bei der Einführung einer neuen Technik - liegt nach seiner Ansicht darin, »geschäftskritische Anwendungen mobil zu machen«. Und diese Chancen eröffnen sich aus gegenwärtiger Sicht vor allem im Bankengeschäft, bei Versicherungen - auch wenn es da »traditionell etwas konservativer« zugeht - sowie bei Anwendungen rund um Transport und Logistik.

Die mobilen Datenbankprogrammierer bemühen sich um Offenheit nach allen Seiten: Bei der Netzwerktechnik wird das bewährte Mobilfunknetz GMS ebenso unterstützt wie die seit diesem Jahr zum Zuge kommende Funktechnik GPRS oder künftige mobile Breitbandverbindungen mit UMTS. »Wir sind funknetzunabhängig«, erklärt Müller.


Für alle Systeme offen

Auch beim Betriebssystem legt sich iAnywhere Solutions nicht auf eine bestimmte Plattform fest und entwickelt sowohl für die Microsoft-Lösung Windows PC/Pocket PC als auch für EPOC, das Betriebssystem der britischen Computerfirma Psion und mehrerer Handy-Hersteller, die sich zum Symbian-Konsortium zusammengeschlossen haben.

von Peter Zschunke, AP

http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/0,1251,COMP-0-10097,FF.html
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