Unterrichtsbokott

Unterrichtsboykott gegen Mobilfunk-Strahlen

 

Reutlinger General Anzeiger Lokales 17.7.2002

Wildermuth-Gymnasiasten verlassen für eine Stunde das Schulgebäude - Deutsche Bahn wird Ergebnisse vorstellen

Von Michael Merkle

 

Tübingen. (GEA) Das Klingelzeichen am Ende der zweiten Schulstunde war noch nicht richtig verklungen, da stürmten die Schüler des Wildermuth-Gymnasiums schon durch den Haupteingang nach draußen. Mit dem Boykott einer Schulstunde protestierten die Gymnasiasten zusammen mit Schülern der Lindenbrunnen-Grundschule gegen einen Sendemast der Bahn. Nach wie vor ist unklar, ob die Bahn an dem Standort festhält oder ob sie die Mobilfunkanlage an einen anderen Ort verlegt.

 

»Wir boykottieren den Unterricht, weil wir mit der Politik der Deutschen Bahn nicht einverstanden sind«, macht Andreas Wendeberg seinem Unmut auf dem Balkon über dem Eingangs Luft. »Wir fordern nach wie vor eine Schule ohne Sendemast«, stellt der Schülersprecher durch das Megaphon vor mehr als tausend Schülern klar. Dann richtete er sich an ältere Schüler, die zum Teil kein Interesse an dem Protest haben. Die Einstellung »Ich bin ja eh bald weg« sei falsch. Vielmehr müsste an diejenigen gedacht werden, die in Zukunft an der Schule sind.

 

»Die Bahn hat sich überhaupt nicht gemeldet«, fasst Lehrer Karl Schlenker die Geschehnisse seit der letzten Protest-Aktion auf dem Marktplatz Mitte Mai zusammen. Auch ein von der Tübinger Oberbürgermeisterin gesetzter Termin Mitte Juni war ohne eine Regung seitens der Bahn verstrichen, wie Vertreter der Schule in einem Gespräch mit Brigitte Russ-Scherer erfahren haben.

 

In einem Brief hatte der Vater eines Schülers, ein Arzt, nochmals auf die gesundheitlichen Risiken hingewiesen, die von den Strahlen ausgehen können. Der Brief wurde von der Bahn auch erwidert. Das freundliche gehaltene Antwortschreiben sei allgemein gehalten gewesen, ohne aber Ergebnisse oder gar Zusagen zu beinhalten. »Die gingen gar nicht auf die Argumente ein«, so der Eindruck von Karl Schlenker.

 

Am Montag erhielt die Schule einen Brief von der Oberbürgermeisterin, in dem die Schulleitung, ein Eltern- sowie ein Lehrervertreter zu einem Treffen am 24. Juli eingeladen werden. Die Bahn wird dort die Ergebnisse der Standortprüfungen vorstellen. Warum der Termin so kurz vor den Sommerferien angesetzt ist - darüber gibt es nur Spekulationen.

 

»Der Protest gegen den Sendemast hat mittlerweile eine gewisse Eigendynamik bekommen«, sagt Rektor Alfred Lumpp. An ein Einlenken der Bahn will er nicht so recht glauben. »Bei gutem Willen und bei einer gewissen Sensibilität für das Thema hätte die Bahn von dem Standort absehen können«, ist der Rektor enttäuscht. Die Bahn habe aber den Zeitpunkt verpasst, die Angelegenheit »geräuschlos zu lösen«.

 

Bevor die Schüler ihren Unterrichtsboykott beendeten, zogen sie noch zu einer spontanen Kundgebung vor den Tübinger Hauptbahnhof, wo sie lautstark auf das Problem aufmerksam machten.

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