Vorbild Lehrer?

Reisebericht eines Lehrers:

Einmal Brüssel und zurück – und die Händis sind immer dabei!

 

Ende Februar hatte ich die Gelegenheit im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme der Europäischen Akademie München und der Akademie für Personalführung und Lehrerfortbildung Dillingen für eine Woche zu den europäischen Institutionen nach Brüssel zu reisen. Vom Inhalt her war das eine aufschlussreiche und höchst interessante Woche, die noch dazu ganz überraschend mit zwei besonderen Höhepunkten aufwarten konnte.

Da war zunächst einmal der geradezu historische Glücksfall, dass wir am 28. Februar im Plenarsaal des Europäischen Parlaments zu Gast waren, als dort die Gründungssitzung zum Europäischen Konvent stattfand. Unter der Leitung des ehemaligen französischen Präsidenten Valerie Giscard d’Estaing hatten sich dazu 105 Delegierte aus ganz Europa eingefunden,  deren Aufgabe es in den nächsten Monaten sein wird, der  Europäischen Union zu ihrer längst überfälligen verfassungsmäßigen Grundlage zu verhelfen.

Der zweite, diesmal negative Höhepunkt war der Besuch von unserer aus 25 bayerischen Lehrern bestehenden Reisegruppe bei der bayerischen Vertretung in Brüssel. Zeitgleich fand dort nämlich ein feierlicher Akt statt, mit dem die bayerische Staatsregierung  eine der herausragenden historischen Brüsseler Immobilien erwarb. Gemeint ist ein schlossähnliches ehemaliges Institutsgebäude, das den bayerischen Staat nicht nur 50 Millionen Mark wert war, sondern auch von seiner Lage her deutlich dokumentiert, dass wir Bayern halt doch noch etwas ganz Besonderes sind. Kein anderes Bundesland, aber auch kein europäischer Staat wird in Zukunft so protzig in Brüssel repräsentieren wie der bayerische. Dazu liegt das erworbene klassizistische Gebäude quasi als optischer Kontrapunkt genau zwischen den hochmodernen Hochhausbauten von Europäischem Rat, Europäischer Kommission und dem Europaparlament. Spötter sehen bereits voraus, dass man wohl in Zukunft in Brüssel oft die Frage beantworten werden müsse, was denn das eigentlich für Gebäude neben der bayerischen Vertretung wären?

So viel zum Besuch in Brüssel. Für mich besonders aufschlussreich war aber nicht nur das Programm in unserer europäischen Hauptstadt, sondern die Erlebnisse mit der heutigen Händigeneration während der Busfahrt.

Wenn ich es richtig beobachtet habe, so waren lediglich zwei Teilnehmer, darunter selbstverständlich ich, ohne Händi unterwegs. Besonders viel telefoniert  oder SMS verschickt wurde vor allem während der langen Fahrten auf der Autobahn. Immer wieder griffen die Reiseteilnehmer zu ihren Mobiltelefonen um zuhause oder bei Freunden anzurufen. Ebenso oft klingelten die Händis, weil die Teilnehmer von ihren Freunden, Bekannten oder ihren Familienmitgliedern angerufen wurden. Bald schon konnte ich die verschiedenen Klingeltöne den entsprechenden Händibesitzern zuordnen. Dabei war es unumgänglich, dass ich die tiefsinnigen und absolut unaufschiebbaren Gespräche größtenteils mithören durfte. „Du hör mal, ich ruf dich jetzt gerade mal an, weil wir sind jetzt auf der Höhe der Raststätte XY. Wir werden sicher noch drei bis vier Stunden bis Brüssel brauchen. Ich ruf dich dann in einer Stunde wieder an. Viele Grüße auch an....“

Besonders gelangweilte Teilnehmer ließen sich während der Reise stets die neuesten Witze oder Anekdoten zusenden, um anschließend auch andere Mitfahrer daran teilhaben zu lassen.

 

Wer ein wenig Bescheid weiß, über die gesundheitlichen Belastungen, die von der derzeit bei uns benutzten Händitechnik ausgehen, fühlt sich inmitten von über zwanzig händinutzenden Busreisenden nicht gerade besonders wohl. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass die Verbindungen im fahrenden Bus extrem ungünstig sind. Der Bus wirkt bekanntlich wie ein Fahradayscher Käfig und so müssen die Händis stets auf Höchstleistung senden und zudem ständig neue Sendefrequenzen anpeilen, da man immer wieder neue Funkzellen während der langen Gespräche passiert. Die Belastung, immerhin gab es kaum einmal eine Minute in der niemand telefonierte, sondern in der Regel waren immer mehrere Telefonierer gleichzeitig aktiv, war daher wohl permanent sehr hoch.

Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn wir Raucher im Bus gehabt hätten. Ich bin mir sicher, dass ich allgemeine Zustimmung erhalten hätte, wenn ich über das Bordmikrofon darum gebeten hätte, im Bus nicht zu rauchen, um unsere Gesundheit nicht zu belasten. Sicherlich hätten anwesende Raucher auch so viel Verständnis gehabt, aus Rücksicht nur während der Pausen außerhalb des Busses ihrer Sucht nachzugeben.

Für die gesundheitlichen Belastungen durch den Händigebrauch in Bussen, Zügen, öffentlichen Gebäuden oder gar Liftkabinen besteht dagegen kein vergleichbares Problembewusstsein. So habe ich mir das allgemeine Kopfschütteln und Unverständnis erspart und nicht zum Mikrofon gegriffen. Dafür habe ich in vielen Einzelgesprächen auf die Problematik hingewiesen und doch eine ganze Menge von Faltblättern der Bürgerwelle verteilt  und hoffentlich mehr als nur Nachdenklichkeit bei einigen Kolleginnen und Kollegen hervorgerufen.

Gerade wir Lehrer sollten ja als Vorbilder und in unserer Verantwortung für die uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler gravierende gesundheitliche Belastungen nicht nur kennen, sondern da wo möglich und nötig auch entsprechende Gesundheitserziehung praktizieren. Das dazu nötige Problembewusstsein, so musste ich während dieser Reise erkennen, ist wohl noch nicht sehr weit entwickelt.

 

Hans Schütz, Peiting
www.buergerwelle.de