"Angst um unsere Kinder"

Donau Zeitung Freitag, 23.03.2001
"Wir haben Angst um unsere Kinder"
Altenmünsterer fürchten Schäden durch Mobilfunkmast
Von unserem Redaktionsmitglied Verena Pfleiderer
(Altenmünster) Eigentlich war der sechsjährige Jakob aus Unterschöneberg immer kerngesund. Seit Dezember kam der Erstklässler der Grundschule Altenmünster ständig mit Kopfschmerzen nach Hause. Seine Mutter glaubt, dass die unerklärlichen Beschwerden mit dem Mobilfunkmast zusammenhängen könnten, der nur 180 Meter von der Schule entfernt steht. Zusammen mit Mitgliedern der "Agenda 21" Altenmünster kämpft sie für den Abbau der Sendeanlage. "Als mein Sohn von der Wandreihe in die Mittelreihe umgesetzt wurde, kam er plötzlich immer mit Kopfschmerzen nach Hause. Daheim war es nach einer Stunde wieder vorbei", erinnert sich Barbara Bessler- Fehle aus Unterschöneberg. Sie konnte sich diese Beschwerden nicht erklären, bis auch andere Eltern von Schülern der 1a in Altenmünster bei ihren Zöglingen dieselben Beobachtungen machten. Mittlerweile glaubt Bessler-Fehle den Grund für das Kopfweh ihres Sohnes zu kennen: Das Klassenzimmer der 1a liege in direktem Einstrahlungsbereich des Mobilfunkmasts, der 180 Meter neben der Schule steht. Im gleichen Raum, genau am Fenster, saß laut Bessler- Fehle vor zwei Jahren noch ein Schüler, der mittlerweile an einem Gehirntumor erkrankt ist.
Sehr beunruhigt
"Ich kann nichts beweisen, aber als Mutter bin ich sehr beunruhigt, da ich nicht das Gefühl habe, dass mein Kind gesund aus der Schule nach Hause kommt." Die besorgte Mutter ließ von einem Fachmann für Erdstrahlen Messungen an der Schule vornehmen: Das Ergebnis liege zwar unter den in Deutschland zugelassenen Grenzwerten ­ das in Europa an sechster Stelle steht ­, sei aber drei Mal so hoch wie etwa die Grenzwerte Italiens. "Das ist ein Skandal", so Dr. Werner Burgmayer, der Vorsitzende der "Agenda 21". "Der Mast steht in dem gleichem Abstand zur Schule, bei dem bei Versuchen in Schweden die Abstrahlung so hoch war, dass in den Hirnen von Ratten Löcher erzeugt wurden." Der horizontale Sicherheitsabstand um eine Antennenanlage liegt laut Bundesemmissionsschutzgesetz zwischen 1,50 und 7,50 Metern, so Susanne Satzer- Spree, Pressesprecherin von Mannesmann Mobilfunk GmbH in München.
Nachts ein Puls von 100
Schauplatzwechsel ins Maria-Ward-Haus von Altenmünster, in das Zimmer von Ilsetraud Köninger: Seit Dezember hat sie massive Schlafstörungen, einen Puls von 100 in der Nacht, Muskelzittern, Hustenanfälle und Kopfschmerzen ­ für die bis dato immer kerngesunde 59- Jährige unerklärlich. Köningers Blick aus dem Fenster fängt der einbeinige Betonriese auf, der vor Schule und Kindergarten aus der Landschaft ragt: der Mobilfunkmast. Sie zeigt auf die benachbarten Häuserdächer des Maria-Ward-Hauses, wo in den vergangenen Jahren vier Menschen an Krebs starben und zwei weitere daran erkrankten. Dass einige Bürger gerade in letzter Zeit den Mobilfunkmast für ihre Gesundheitsschäden verantwortlich machen, verwundert die Mannesmann- Pressesprecherin Satzer-Spree: "Unsere Antennen wurden schon 1997 installiert. Nach drei Jahren fühlen sich die Menschen offensichtlich aufgrund der zunehmenden Medienberichterstattung über Mobilfunk plötzlich dadurch gesundheitlich beeinträchtigt." Die für das Unternehmen relevanten wissenschaftlichen Studien hätten nach den Worten von Satzer- Spree keine Anzeichen ergeben, dass sich das Risiko von Mobilfunkanlagen auf den Menschen erhöht habe.
Seit Januar steht am Bühl in Altenmünster eine weitere Sendeanlage. Die nächste soll auf das Scheunendach eines Bauern in Unterschöneberg gebaut werden, was bei den Anwohnern auf Widerstand stieß, so Barbara Bessler- Fehle. Bürgermeister Günter Würmseher musste als Vermittler eingeschaltet werden, dem angesichts der genehmigungsfreien Anlage die Hände gebunden scheinen: "Ich kann nur versuchen, mit den Eigentümern zu reden", sagt Würmseher etwas hilflos. Was den Mobilfunkmast bei der Schule angeht, möchte der Bürgermeister Messungen bei an- und abgeschalteter Anlage vornehmen lassen. Würmseher bat Mannesmann außerdem, Alternativstandorte für den Mast zu überprüfen. "Rein rechtlich hat die Kommune keine Handhabe. Wir sind auf den guten Willen des Betreibers angewiesen und das geht nur miteinander und nicht gegeneinander", betont Würmseher.
Trotzdem: Barbara Bessler- Fehle und die "Agenda 21"-Mitglieder wollen Bürger und Eltern sensibilisieren, woher plötzlich aufgetretene Gesundheitsbeschwerden kommen könnten. Ilsetraud Köninger: "Wir haben Angst um unsere Kinder, die der Strahlung 24 Stunden lang ausgesetzt sind. Für uns gibt es nur eine Lösung: Der Mast muss weg." Für den Wunsch Würmsehers, Alternativstandorte für den Mast zu überprüfen, sehe Mannesmann allerdings keinen Anlass. Susanne Satzer- Spree: "Wir sollten anfangen, weniger hysterisch mit dem ganzen umzugehen. Außerdem ist die Strahlung eines Mobilfunkmasten weitaus geringer, als das, was ein Handy am Ohr leistet. Wenn wir über die Gefahren von Mobilfunk sprechen, müssen wir über die Handys reden."
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