div. EEG-Ergebnisse

Sonderdruck aus WOHNUNG+GESUNDHEIT, Heft 91, 1999

Mobilfunk im EEG-Testlabor:

Handystrahlung verändert Gehirnaktivität
Widersprüche aus Berlin und München

"Gepulste Mikrowellen der Intensität eines üblichen Mobilfunk-Telefonates beeinflussen die bioelektrische Gehirnaktivität." Zu dem Ergebnis kam eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin, die Ende des Jahres 1998 veröffentlicht wurde. Vier Wissenschaftler untersuchten 16 junge Männer mit ein- und ausgeschaltetem Handy am Ohr. Das EEG zeichnete deren Hirnströme auf. "Wiederholte Messungen zeigten signifikante Einflüsse des elektromagnetischen Feldes. Es gibt keinen Zweifel, daß die gepulsten Mikrowellen von Handys biologisch wirksam werden können."

Berliner Studie: Warnung

Die vier Wissenschaftler der Berliner Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit haben bei ihren Versuchen in einigen Hirnarealen und unter bestimmten Voraussetzungen signifikante EEG-Effekte finden können, in anderen Hirnbereichen und unter anderen Bedingungen jedoch auch nicht. Ein digitales Mobiltelefon mit externer Antenne war in direktem Kontakt zum linken Ohr positioniert. Die bioelektrische Hirnaktivität wurde von 30 über den Kopf verteilten Elektroden aufgezeichnet. Die 16 Probanden wußten nicht, ob das Handy ein- oder ausgeschaltet war. War es an, dann ohne Unterbrechung bis zu acht Minuten.
Bei den langsamen Gehirnwellen (SP, Slow Brain Potential), zeigten sich, so die Forschergruppe, deutliche Einflüsse des elektromagnetischen Feldes. "Die Wellenformen waren unter elektromagnetischer Belastung reduziert und ohne nicht. Der Effekt war über die rechte Hemisphäre ausgeprägter als über die linke. Der Einfluß der elektromagnetischen Strahlung auf die Gehirnwellen zeigte sich sehr unterschiedlich, je nach Topografie der Kopfhaut. Eine deutliche Reduzierung der SP-Wellen wurde in den zentralen und hinteren seitlichen Regionen beobachtet, in den frontalen dagegen nicht."
Die Berliner Wissenschaftler stellen fest: "Wiederholte Messungen zeigten signifikante Einflüsse der elektromagnetischen Felder von handelsüblichen MobilfunkHandys auf das menschliche EEG. Das bedeutet: Die gepulsten Mikrowellen verändern die bioelektrischen Gehirnaktivitäten. Auch unter Berücksichtigung vorangegangener Studien über die Wirkung elektromagnetischer Felder auf molekularer, zellulärer und organischer Ebene gibt es keinen Zweifel, daß gepulste Mikrowellen, die noch keinen thermischen Effekt auslösen, biologisch wirksam werden können." Die Berliner fordern: "In Anbetracht der Resultate und der ständigen Zunahme von Mobiltelefonen bleibt eine weitere Erforschung dieser Effekte von elektromagnetischen Feldern auf die Gehirnaktivität ein wichtiges Anliegen."

Münchner Studie: Entwarnung
Das aktuelle Ergebnis der vier Berliner Wissenschaftler von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kommt somit zu einem anderen Schluß als die fast zeitgleich durch alle Medien gegangene Entwarnung von fünf Münchner Wissenschaftlern der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität im Klinikum Großhadern. Sie experimentierten mit 39 männlichen und weiblichen Probanden, ihnen stand das Bundesamt für Strahlenschutz zur Seite, sie wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen gefördert. Deren Resultat: Keine Beeinflussung der Hirnströme durch gepulste Mikrowellen von Mobiltelefonen.
Die Münchner Forscher wollten herausfinden, ob es Wirkungen gibt, die "in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Mikrowellenexposition auftreten". Das war in Bezug auf diese Fragestellung nach einem "unmittelbaren" Effekt und bei deren Versuchsaufbau nicht der Fall. Obwohl auch hier eingeräumt wurde, daß "die Einzelauswertung der Ruhe-EEGs nach Exposition mit einem D-Netz-Handy bei vier Probanden Besonderheiten zeigte". Bei drei anderen Probanden gab es "eine erhöhte EEG-Aktivität während der Expositionsphasen". Bei drei weiteren fanden die Wissenschaftler EEG-Auffälligkeiten während der Exposition mit einem E-Netz-Handy. Aber, so die 170-Seiten-Studie: "Diese Einzelergebnisse gehen in der Gruppenstatistik unter. Wir bewerten diese Auffälligkeiten als Spontanvariationen."
Das Münchner Ergebnis wurde von der Presse einseitig interpretiert, aufgebauscht und sorgte bei Mobiltelefonierern und Industrie für Entspannung. Es schien fast, als seien nun alle Probleme ausgemerzt. Das Umweltministerium atmete auf und kommentierte voreilig: "Die Befürchtung, daß handelsübliche Handys beim Telefonieren die Gehirnfunktion beeinflussen, ist endlich ausgeräumt."
Die 'Süddeutsche Zeitung' wagt in ihrer Ausgabe vom 8. Dezember 1998 den Rückschluß aus der dreijährigen Münchner EEG-Studie: "Eines ist jetzt klar: Mobiltelefone machen nicht krank."
Ein spekulatives Fazit ohne jede Grundlage. Denn aus einer EEG-Auffälligkeit läßt sich kein Rückschluß für Krankheit oder Gesundheit ableiten. Das geben auch die Münchner Wissenschaftler in ihrer Veröffentlichung zu bedenken: "Ob ein meßbarer Effekt als ein Gesundheitsrisiko zu werten ist, das läßt sich mit einer reinen EEG-Untersuchung nicht zufriedenstellend beantworten." Denn das Ausbleiben einer EEG-Reaktion sei kein Beweis dafür, daß es überhaupt keine Auswirkungen gibt. Außerdem wolle die Studie keine Aussage zu möglichen biologischen Risiken treffen, die erst nach häufiger Exposition über eine längere Zeit auftreten können. Man habe es dazu nur mit gesunden Probanden zu tun gehabt.
Der Leiter der Münchner Studie, Ingenieur Siegbert Krafczyk, auf die Frage der 'Süddeutschen', ob Entwarnung für Bewohner in der Nähe von Mobilfunksendern auf den Dächern und Türmen gegeben werden kann: "Unser Ergebnis ist darauf nicht übertragbar." Und im Auto? "Man sollte immer nur die Außenantenne benutzen."

Warnung auch aus Lübeck
Dr. Lebrecht von Klitzing, Medizinphysiker der Universität Lübeck, war weltweit einer der ersten, der mit dem EEG biologische Effekte als Folge gepulster Felder fand. Er stellte 1992 fest: "Gepulste Mikrowellen mit sehr geringen Leistungen wirken auf das menschliche EEG. Es könnte sein, daß das interzelluläre Kommunikationssystem gestört wird. Die wissenschaftliche Erklärung hierfür ist noch schwierig. Dennoch, es treten Effekte auf."
Er reizte den Menschen mit dem typischen 217-Hertz-Signal der D- oder E-Netze und fand ungewöhnliche Peaks im 10-Hertz-Bereich des EEGs. "Das Gehirn reagiert auf diesen Reiz erst nach einigen Minuten, nicht unmittelbar. Die Peaks bleiben erstaunlich lange Zeit nachweisbar, einige Stunden bis wenige Tage, auch, wenn die Strahlenquelle, in diesem Fall das D- oder E-Netz-Handy, längst ausgeschaltet ist. Das ist eine ungewöhnlich lange Reaktion auf einen kurzen Reiz."
Dr. von Klitzing: "Zellen sind in Kommunikation miteinander, tauschen nonstop lebenswichtige Informationen aus. Das machen sie mit elektromagnetischen Signalen und über Ionenaustausch an den Zellmembranen. Die Ionen werden gepulst durch Ionenkanäle geleitet und zwar in Frequenzbereichen bis etwa 400 Hertz. Genau hier befinden sich die technischen Signale der Mobilfunknetze. Bevor eine neue Technologie auf den Markt kommt, sollte systematisch Grundlagenforschung betrieben werden. Das ist bei den D- und E-Netzen nie geschehen. Es geht hier um technische Informationen, die biologisch verarbeitet werden. Hier läuft etwas ab, was jeden zum Nachdenken zwingen sollte. Es muß deutlich gesagt werden, daß alle offiziellen Grenzwerte nur die thermischen Risiken abdecken, also die Erwärmung des Körpers im Feld, und nicht den viel subtileren Bereich der Information und Bioregulation weit unterhalb der thermischen Wirkungen."
Dr. von Klitzing fand im EEG-Labor Hirnstromeffekte durch gepulste Mikrowellen, wie sie bei den Mobilfunknetzen (D- und E-Netze), aber auch bei der neuen Generation der schnurlosen Telefone nach DECT-Standard zu finden sind, bei einer Strahlungsstärke von 100 Nanowatt pro Quadratzentimeter (nW/cm²;). Wir von der Baubiologie Maes wollten herausfinden, wo diese 100 nW/cm²; im Alltag zu finden sind.
Wir fanden sie in einer Entfernung von 10 bis 30 Metern zu Handys, wenn mit ihnen mobiltelefoniert wird, in 50 bis 200 Metern Entfernung zu Basisstationen, also den Mobilfunksendeanlagen auf Türmen, Dächern, Kaminen, Silos... und im Abstand von 5 bis 7 Metern zu den unscheinbaren, kleinen Basisstationen und Hörern der schnurlosen DECT-Telefone. Bei den DECT- Geräten kommt im Gegensatz zu anderen Schnurlosen hinzu, daß deren Mini-Basisstationen nonstop senden, also auch immer dann, wenn gar nicht telefoniert wird.


Andere EEG-Studien
Prof. W. Ross Adey vom Hirnforschungszentrum der University of California fand 1975, daß gepulste Strahlung das EEG verändert und in das zentrale Nervensystem eingreift. Er kümmerte sich auch um thermische Effekte und stellte fest, daß ein Temperaturanstieg von nur 0,1 °C biologische Folgen hat: "Minimale Erhöhungen der Hirntemperatur durch technische elektromagnetische Felder ziehen eine Palette physiologischer und neuraler Reaktionen nach sich."

Eine von der Telekom gesponserte Studie ergab 1995, daß sich durch die Mobilfunkstrahlung das menschliche EEG verändert; sie wurde von den Wissenschaftlern Dr. Reiser, Dr. Dimpfel und Dr. Schober geleitet. Reiser berichtete im 'European Journal of Medical Research': "Bei 36 Probanden führte die Strahlung direkt nach dem Einschalten zu EEG-Veränderungen." In einem anderen Versuch kam der Effekt mit einer Verzögerung von 15 Minuten.

Der Neurobiologe Prof. Dr. Peter Semm von der Uni Frankfurt bestrahlte Zebrafinken mit Handys. Es gab Beeinträchtigungen bei den Signalen im Gehirn. Er fand bei Versuchen im Technologie-Zentrum der Telekom in Darmstadt, daß Nervenzellen auf gepulste Mobilfunkwellen reagieren, auf ungepulste dagegen nicht.

Auch Prof. Dr. Norbert Leitgeb von der Uni Graz fand im Zellversuch, daß nur der periodische Puls die Reaktion auslöst. Änderte man den Puls und sonst nichts, so verschwanden die Reaktionen.

52 Probanden wurden 1996 von einer US-Forschergruppe um Dr. J.P. Lebet jeweils 15 Minuten lang mit gepulsten Mikrowellen, wie sie in der Nähe von Mobilfunktürmen oder beim Handy-Telefonieren zu finden sind, bestrahlt. Die Folge: das gestörte EEG.

Veränderungen im Gehirn fanden 1994 auch die Wissenschaftler Dr. Joachim Röschke und Dr. Klaus Mann von der Universität Mainz. Der Schlafbeginn der Probanden und deren REM-Phasen während des Schlafes waren verkürzt.

Die US-Wissenschaftlergruppe um Prof. Bawin und Prof. Adey experimentierte mit Katzen. Die Fachzeitschrift 'Brain Research' berichtete 1973: "Wahrhaftig, schwache gepulste Felder haben starken Einfluß auf das Katzen-EEG."



Zu den aktuellen Forschungsergebnissen aus München sagt Dr. von Klitzing: "Zielsetzung dieser Studie war nicht, die bisherigen Erkenntnisse zu bestätigen oder zu widerlegen, wie dies fälschlicherweise in der Presse wiedergegeben wurde. Die Fragestellung der Münchner war eine andere als bei uns, speziell die Frage nach unmittelbaren Effekten. Auch deren Versuchsaufbau war anders. Die von der Presse verbreitete pauschalierte Meinung, daß es zu keiner Veränderung im EEG kommt, ist falsch und so auch gar nicht in dieser wie in anderen Studien enthalten. Jeder, der mit Handys telefoniert oder sich in der Nähe der Basisstationen von schnurlosen DECT-Telefonen aufhält, muß mit diesen Effekten rechnen, ohne zu wissen, was sie denn gesundheitlich in letzter Konsequenz bedeuten."

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