S&K 08/2002
elektrosmog

DA STRAHLT DOCH WAS?

Keine Schwaden, kein stechender Geruch in der Nase, kein kratzender Hals. Elektrosmog ist unsichtbar. Doch Messgeräte können die elektromagnetischen Felder von Handys, Sendemasten oder Stromlei­tungen erfassen. Und der Körper spürt sie. Wie gefährlich diese Felder sind, darüber streiten Wissenschaftler seit Jahren.

 

Egal ob im Restaurant, im Zug oder bei einer Besprechung: Das Dideldadeldüddeidüt der Handys ist innerhalb von zehn Jahren All­tag geworden. Lauter vollverkabelte Haus­halte, 55 Millionen deutsche Handys und 40.000 bis 50.000 Sendemasten, Wie diese Zahlen, so wuchs auch die Menge an Fall­studien und Forschungsarbeiten, die sich mit den Risiken der neuen Technologie auseinandersetzten. Um einen Überblick zu bekommen, beauftragte der Netzbe­treiber T-Mobil das ECOLOG-lnstitut in Hannover damit, den wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die Ge­sundheit auszuwerten. Die Ergebnisse stellte ECOLOG im vergangenen Jahr vor: „Es gibt mittlerweile eine Reihe sehr ernst zu nehmender Befunde (...) die auf eine krebsfördernde Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder, wie sie beim Mobilfunk benutzt werden, hindeuten." Weiter heißt es: „In zahlreichen Versu­chen an Menschen wie an Tieren wurden Beeinflussungen des Zentralen Nervensys­tems nachgewiesen, die von neurochemischen Effekten bis zu Veränderungen der Hirnpotenziale und Beeinträchtigungen bestimmter Gehirnfunktionen reichen." In einer öffentlichen Anhörung vor dem Umweltausschuss des Bundestages wertete Horst-Peter Neitzke, der zuständige Projekt-Koordinator bei ECOLOG, die Untersuchungen als sehr ernst zu neh­mende Hinweise auf gesundheitliche Gefahren durch Mobilfunk und forderte ein Vorsorgekonzept mit niedrigeren Grenzwerten für ausgesandte Strahlung.

Zweifelhafte Grenzwerte

Für besorgte Anlieger und Initiativen, die sich gegen Handymasten wehren, sind diese Erkenntnisse nicht neu. Die Berichte von Schlafstörungen, Stressge­fühl, Tinnitus und anderen körperlichen Beschwerden in der Nachbarschaft von Sendeanlagen sind zahlreich. In solchen Fällen verweisen die Mobilfunkbetreiber gerne darauf, dass die amtlichen Grenz­werte weit unterschritten würden. Das stimmt zwar, doch sind diese Grenzwerte extrem hoch, weil sie nur die thermische Wirkung der Strahlung berücksichtigen. Elektromagnetische Wellen können, wie beim Mikrowellenherd, Gewebe erwär­men. Die offiziellen Grenzwerte schützen also vor glühenden Ohren beim Telefonie­ren, nicht aber vor biologischen Wirkun­gen der Felder im Körper.

Unser Organismus wird von elektri­schen Impulsen gesteuert, die in ihrer Frequenz und Stärke der elektromagneti­schen Strahlung von Handys ähnlich sind.

Kein Wunder also, dass diese Strahlung Organismus beeinflussen  kann.…

Die amtlichen  Grenzwerte  erlauben je nach Netz eine maximale Intensität von 4500 oder 9000 mW/m2. In der Schweiz gelten Werte von 40 und 100 mW/m2, das ECOLOG-lnstitut schlägt 10 mW/m2 vor. Ein Tausendstel dieses Wertes, also 0,01 mW/m2, halten kritische Wissenschaftler wie der Mediziner Lebrecht von Klitzing oder der Physiker Günther Käs für einen realistischen Vorsorgewert. Wer die Belastung in den eigenen vier Wänden feststellen will, sollte einen  Fachmann mit der Messung beauftragen. Die Ver­braucherzentrale NRW warnt davor, für „unsinnige Elektrosmog-Messgeräte aus Baumarkt und Versandhandel" Geld aus­zugeben.

Forschung statt Vorsorge

Trotz aller Hinweise auf mögliche Ge­fahren hat die (Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Verschärfung der Grenzwerte abgelehnt. Stattdessen versprachen die Mobilfunkbetreiber in eine freiwilligen Vereinbarung mit der Bundesregierung eine sorgfältige Stand­ortauswahl beim Bau neuer Masten und mehr Gelder die Forschung. Für die Menschen, die sich laut Umfrage des Bundesamtes für Strahlenschutz Sorgen wegen der Strahlung machen, bleibt nur eine Möglichkeit: Sie müssen die Belas­tung selbst minimieren, Maßstab für die Belastung durch das Handy ist der so genannte SAR-Wert, den Hersteller seit Anfang des Jahres im Handbuch nennen müssen. Diese spezifische Absorptions­rate beschreibt, wie viel hochfrequente Energie pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen wird. Die Messung (in Watt pro Kilogramm Körpergewicht) ermöglicht Aussagen über die biologische Wirkung. Für die Belastung des Kopfes beim Telefo­nieren liegt der Grenzwert zum Beispiel bei zwei W/kg. Die meisten Handys produzie­ren Werte zwischen einem und eineinhalb W/kg. Die schwedische Arbeitsschutz­organisation TCO zeichnet Handys aus, deren SAR-Wert unter 0,8 W/kg liegt. Der Physiker Peter Nießen vom Nova-Institut in Hürth fordert einen Grenzwert von 0,2 W/kg. Und dass es solche strahlungsar­men Handys bereits gibt, zeigt ein Blick in die Liste mit SAR-Werten, dje das Institut unter www.handywerte.de ins Internet gestellt hat.


Nicht nur Handys strahlen

Elektrosmog hat jedoch noch andere Quellen, zum Beispiel Radio- und Fernseh­sender, die ebenfalls Wellen mit mehreren Millionen Schwingungen pro Sekunde aussenden. Einige der Studien, die auf eine Krebsgefahr hinweisen, entstanden in der Nachbarschaft solcher Sendeanlagen. Die Dauerbelastung in der Nachbarschaft von Hochspannungsleitungen, Trafostationen oder Oberleitungen der Bahn kann eben­falls krank machen und das Krebsrisiko erhöhen. Auch hier liegen die amtlichen Grenzwerte weit über den Werten, bei denen sich in Versuchen gesundheitliche Auswirkungen zeigten. Abstand halten ist wieder die wirkungsvollste Methode zur Minimierung, da die Stärke der Fel­der mit der Entfernung rapide abnimmt. Wie ein Sendemast im Haus wirken üb­rigens die schnurlosen DECT-Telefone, die inzwischen etwa 80 Prozent aller neu verkauften Geräte ausmachen. Eine DECT-Basisstation sendet rund um die Uhr gepulste hochfrequente Wellen aus, auch wenn nicht telefoniert wird.

 

Die Intensität der Strahlung liegt bei einem Meter Entfernung noch bei mehreren mW/m2. Baubiologen stoßen immer wie er auf schnurlose Telefone, wenn sie die Ursache plötzlich aufge­tauchter Schlaflosigkeit oder Konzen­trationsstörungen suchen. Schnurlose Telefone, die noch nach dem analogen C1-Standard funktionieren und wesent­lich strahlungsarmer sind, gibt es kaum noch zu kaufen. Die wirkungsvollste Art der Risikominimierung ist die Rückkehr zum herkömmlichen Telefon mit Schnur. In den eigenen Räumen tragen zudem Computerbildschirme, Radiowecker, Fernseher oder Stromleitungen zum Elektrosmog bei. Babyphone direkt ne­ben dem Kopfkissen, Heizkissen und Co. können ebenso ein Gesundheitsrisiko sein. Reduzieren lässt sich die Belastung durch den Einsatz möglichst sparsa­mer und strahlungsarmer Geräte. Für Computerbildschirme bietet das Label der Arbeitsschutzorganisation TCO eine gute Orientierung. Sicherheits-(Schuko-)stecker anstatt der flachen Eurostecker verringern durch die Erdung ebenfalls die Feldstärken. Netzfreischalter sorgen dafür, dass in der Nacht kein Strom mehr durch die jeweils abgeschalteten Stromkreise fließt. Das ist besonders hilf­reich, wenn m der Wand hinter dem Bett Stromleitungen verlaufen. Überhaupt sollte das Schlafzimmer, in dem wir fast ein Drittel unseres Lebens verbringen, möglichst frei von elektrischen Geräten sein. Pyramiden über dem Bett, Steine auf dem Nachtkästchen und ähnliche Geräte, die negative Strahlen abschir­men sollen, haben dagegen vor allem Auswirkungen auf den Geldbeutel.

Leo Frühschütz

WEITERE INFORMATIONEN

Mobilfunk - Bürgerberatung beim Bonner Wissenschaftsladen e.V., Telefon 0228/ 20161-32 Eine Selbst­hilfegruppe ist der Arbeitskreis für Elektrosensible e.V., Telefon 0201 / 8681641, E-Mail aes@w-lisseck,de, www.w-lisseck.de/aes/index.html
Der „Dachverband der Bürger und Initiativen zum Schutz vor Elek­trosmog" bietet im Internet unter www.buergerwelle.de eine Vielzahl von Informationen zum Thema sowie Hilfestellung bei der Gründung einer Initiative, Telefon 09631/ 795736