Mobilfunkbranche
vor dem Crash: Gesundheitswarnungen aus allen Richtungen!
Quellen für diesen Artikel: Kölner Stadtanzeiger (18.03.02), Neue Luzerner Zeitung (20.03.02),
Sat1-Videotext, Seite 114 (18.03.02), La Verdad (15.03.02, Interview mit Marco
F. Paya, Mediziner und Mitglied der Akademie der Wissenschaften New York) sowie
neue Studie der Universität Valencia
Zusammengestellt von Jörg Wichmann
Massive Warnungen vor Handys und
Mobilfunksendern - Ärzte, Behörden und Ministerien weisen auf erhebliche
Gesundheitsrisiken hin
Paris: Der französische Gesundheitsminister Bernard
Kouchner hat in Paris vor einem allzu unbedenklichen Umgang mit dem Handy
gewarnt. Folgende Empfehlungen sprach der gelernte Arzt aus: Grundsätzlich
sollte man das mobile drahtlose Telefon nicht all zu lange benutzen - vor allem
nicht in geschlossenen Einrichtungen wie Fahrstühlen, unterirdischen
Parkhäusern oder in Autos. telefoniere. Schwangere Frauen, so der Minister,
sollten ihr Handy nicht dicht am Körper bei sich tragen. Der Apparat sollte in
jedem Fall möglichst fern vom Genitalbereich sein. Gespräche sollten möglichst
kurz gehalten werden.
Als erste Stadt in
Frankreich hat die Verwaltung von Narbonne das Handy in Kindergärten, in Vor-
und in Hauptschulen verboten. Gar
eine Broschüre mit Verhaltensregeln will die französische Regierung für die 35
Millionen Handybenutzer im Land herausgeben.
Mirjana Moser vom
Schweizer Bundesamt für Gesundheit in der Neuen Luzerner Zeitung: «Wir
empfehlen, Handys nicht in der Hosentasche zu tragen - dies gilt besonders für
Jugendliche.» Denn die Mikrowellen könnten vor allem bei jungen Männern den
Genitalbereich erwärmen. «Ist diese Erwärmung zu stark, kann dies zu Sterilität
führen.»
Dass Handystrahlen gesundheitsschädlich
sein könnten, ist für Hans-U. Jakob keine Frage, sondern eine Tatsache. Der
Präsident der Schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener
sagt denn auch klar, wo Handys seiner Meinung nach hingehören: «In den
Abfalleimer.» Dass das Bundesamt für Gesundheit derselben Meinung wie die
französische Regierung ist, ist für Jakob «ein Schritt in die richtige
Richtung», über den er sich erstaunt zeigt. Noch gebe sich der Bund aber zu
vorsichtig. «Die Warnungen müssen öffentlich kommuniziert werden», fordert der
63-Jährige.
Selbst Georges Claude,
Mitarbeiter des Schweizer Mobilfunkbetreibers Swisscom, und Vorsitzender für
Umweltfragen des Sicta, des Schweizerischen Informatik- und
Telekommunikationsverbandes, befürwortet einen maßvollen Umgang mit Handys. Bei
den Strahlen der Mobiltelefone sei „Vorsicht geboten“. „Wir behaupten nicht,
dass nichts passieren kann.“
Die britische Regierung
hat im Januar dieses Jahres bekannt gegeben, rund 6 Millionen Euro für die
Erforschung von biologischen Effekten von Mobiltelefonen und Sendemasten auf
den menschlichen Körper zu investieren. Weitere 6 Millionen Euro steuert die
Industrie bei. Untersucht soll in den nächsten vier Jahren unter anderem
werden, ob das Benutzen eines Handys das Risiko erhöht, an einem Gehirntumor
oder an Leukämie zu erkranken.
Für solche vom Staat
mitfinanzierten wissenschaftlichen Untersuchungen fehle in der Schweiz das
Geld, sagt Mirjana Moser. Dafür soll eine Forschungskooperation von der ETH und
den Mobilnetzanbietern ausgebaut werden, die
sich der Frage der Schädlichkeit von elektromagnetischen Wellen annimmt. «Wir
wollen die Kooperation in eine Stiftung umwandeln, in der auch
Umweltorganisationen mitreden können und bei der das Finanzielle und die
Organisation strikte getrennt sind.» Damit unabhängige Untersuchungen
garantiert seien, sagt Moser.
Mediziner und Mitglied
der Akademie der Wissenschaften New York, warnt vor Handys und Sendemasten
Der Mediziner Marco F.
Paya, Mitglied der Akademie der Wissenschaften New York und Experte für
elektromagnetische Felder, weist in einem Interview mit der Zeitung La Verdad
darauf hin, dass der menschliche Körper Schäden erleiden könne, wenn er
dauerhaft Mobilfunkstrahlung ausgesetzt sei. Auch wenn das Mobiltelefon nur im Bereitschaftsmodus sei und man nicht
ständig telefoniere, wäre es trotzdem schädlich, das Handy regelmäßig Wellen
ausstrahle, die es mit der nächstgelegenen Antenne verbinden. Nach seinen
Worten lägen weltweit Studien vor, die einen Zusammenhang mit
Mobilfunkstrahlung und einer hohen Embryonensterblichkeit zeigten. Außerdem
käme es zu einer Abnahme der wichtigen G-Immunoglobulin-Hormone, die direkten
Einfluss auf die Fähigkeit unseres Organismus zum Abbau von Stress hätten. Eine
Abnahme dieser Hormone würde die Fähigkeit des Organismus zum Stressabbau
schwächen. Das Risiko für Grauen Star und Tumoren im Auge würde sich erhöhen.
Bereits kurzfristig würde die Strahlung Reizbarkeit, Kopfschmerzen und
Schlaflosigkeit verursachen. Kinder und Jugendliche sollten Handys überhaupt
nicht benutzen, da sie noch im Wachstum seien und es zu Missbildungen in ihrem Gehirn kommen könne.
Schwangere müssten den Gebrauch ebenfalls einschränken. Paya empfiehlt, auf keinem Fall neben
einem eingeschalteten Handy auf dem Nachttisch zu schlafen. Das Handy müsste
vom Kopf entfernt und möglichst ausgeschaltet werden. Headsets würden auch
nichts nützen, da sich dadurch das Risiko für Hoden- und Eierstockkrebs erhöhe.
Vom Telefonieren im Auto ohne Außenantenne rät Paya auch ab, da die Wellen
schlecht aus dem Fahrzeug kämen und somit noch schädlicher wären. Ebenso in
Fahrstühlen und Parkhäusern. Auf die Frage, was schädlicher sei, ein
Handy oder eine Antenne, antwortete Paya: „Wenn die Antenne nicht weit von
Ihrem Haus weg ist, zweifellos die Antenne. Aber wenn die Antenne weiter weg
ist und das Handy mehr als 6 Minuten pro Tag benutzt wird, schädigt es langsam
das Gehirn.“
Angesichts wachsender
Proteste verkaufen findige Unternehmen getarnte Mobilfunk-Sender. Doch trotz
Antennen-Mimikry fallen die Immobilien-Preise in der Nachbarschaft - aus Angst
vor Gesundheitsschäden.
Die
Marienkirche im sachsen-anhaltinischen Wittenberg ist ein ehrwürdiges Bauwerk.
Seit der Reformationszeit erheben sich die Doppeltürme über dem zentralen Platz
der Stadt. Unter der Dachkante des rechten Glockenturms ist hinter einer farbangepassten
Spezialplatte im Mauerwerk modernste Technik versteckt: eine leistungsstarke
Richtfunkantenne für den Mobilfunk.
Eine clevere Lösung fand
auch eine Kirchengemeinde im baden-württembergischen Stuttgart-Sommerain. Um
alle vier Himmelsrichtungen mit leistungsstarken Richtfunkantennen abzudecken,
wurde ein kupfergedeckter Turm nachgerüstet. Hinter dem Imitat aus
glasfaserverstärktem Kunststoff pulst die Antenne für den Handy-Empfang.
Der Kirchenvorstand nahm
bei einem Besichtigungstermin die trickreich versteckte Technikanlage ab.
„Unser Auftraggeber war sehr zufrieden“, erinnert sich Heiner Jahn von der
Gelsenkirchener Firma Nautico, „nur die Nachwitterung des grünen Kupfers macht
noch Probleme.“ Während
sich bundesweit rund 1500 Bürgerinitiativen gegen die Aufstellung zusätzlicher
Mobilfunkmasten organisiert haben, gehen die Hersteller ganz neue Wege.
„Antennen, die man nicht sieht“, verspricht etwa die Dresdner Firma
TeleCommunikation Service, die „Antennenhüllen“ vertreibt. Damit werde die
„Nutzung sensibler und exponierter Standorte“ möglich, bei denen Anwohner oder
Eigentümer sich „schon vom bloßen Anblick der Antennen bedroht fühlen.
Das
Mobilfunk-Mimikry soll den wachsenden Widerstand gegen die vermutete
Strahlengefahr brechen. Ob die Strahlen tatsächlich schädlich sind, darüber
streiten Experten aber so heftig wie auf kaum einem anderen Gebiet der
Umweltforschung. Die weltweit rund tausend bislang erstellten Studien über Krebsgefahren,
Gewebeschädigungen oder Zellveränderungen durch die relativ junge Technik
ergeben immer noch kein klares Bild.
Mit dem Aufbau des
UMTS-Netzes gewinnt die alte Gefahren-Debatte jedoch neue Brisanz. Von den
Betreibern werden die Folgewirkungen des neuen Mobilfunkstandards zwar als
unproblematisch angesehen. „Wir bleiben unter den Grenzwerten“, sagt etwa Fritz
Lauer, Leiter der Umwelttechnik von T-Mobile, „auch wenn sich die
Gesamtbelastung um 50 Prozent erhöht.“ Anders als bei dem bereits eingeführten
Mobilfunk-Netz nach dem Standard GSM vermindert sich die Belastung aus den
Endgeräten, da die elektromagnetischen Wellen in kleinen Paketen verschickt
werden.
UMTS-Aufbau um Monate
zurück geworfen
Doch
dafür muss die Republik flächendeckend mit neuen Sendemasten zugestellt werden.
Fachleute gehen von 100.000 neuen oder aufgerüsteten Richttürmen und Antennen
aus, die demnächst vor allem in Wohngebieten montiert werden müssen. „Gute Standorte sind schon heute knapp“, urteilt
Antennenfachmann Jahn.
Für
den O2-Chef Rudolf Gröger haben die Proteste den Zeitplan für den Aufbau des
teuer bezahlten UMTS-Netzes jetzt schon „um drei Monate“ zurückgeworfen. Nachdem
jetzt selbst die Handy-Hochburg München öffentliche Gebäude für neue
Sendemasten gesperrt hat, kommen die Betreiber
und möglicherweise demnächst die Bundesregierung unter Druck.
Einerseits
habe der Staat rund 50 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen kassiert. Doch
jetzt stocke der Aufbau der notwendigen Netze auch durch kommunalen Einspruch. Schon
droht O2-Chef Gröger mit der Rückforderung der Milliarden, denn nach dem
UMTS-Vertrag müssen bis Ende 2003 mindestens 25 Prozent der Bevölkerung
erreicht werden - sonst kann die Lizenz
entschädigungslos zurück gegeben werden.
Um
doch noch die nötigen Sende-Standorte zu finden, durchkämmen eigens geschulte
Nautico-Mitarbeiter im Auftrag der Kommunikationskonzerne Stadt für Stadt.
Diskret werden dann Vorverhandlungen mit den Eigentümern zur Errichtung eines
Antennenturms geführt. „Je höher umso besser“, sagt Nautico-Chef Jahn.
Im
Münchener Stadtteil Schwabing bekommt ein Bäckermeister in der Kaiserstraße 11
nach eigenen Angaben monatlich rund 340
Euro für die Aufstellung eines MobilCom-Turms auf einem seiner Mietshäuser. Er
hat einen Zehnjahresvertrag geschlossen, der insgesamt 40.000 Euro einbringt.
Proteste der Mieter aus der Nachbarschaft beantworte der Bäcker mit der Einschätzung:
„Eine Aspirin ist gefährlicher“.
Die
Aufstellung von Mobilfunkanlagen kann aber auch zum Verlustgeschäft werden.
„Solche Objekte werden von Käufern zunehmend gemieden“, urteilt der Münchner
Makler Hubertus von Medinger. „Wenn sich das rumspricht, werden die Masten
schnell wieder schnell verschwinden“. Als „schlecht vermittelbar“ gelten
inzwischen eigengenutzte Wohnbauten auch in der Nähe von Sendemasten. „Ich
würde da bei alternativen Angeboten auch nicht kaufen“ sagt der Vorsitzende des
Haus -und Grundbesitzervereins München, Rudolf Stürzer. Richtig teuer wurde die
Entscheidung eines Immobilienverkäufers in München-Solln, noch schnell vor dem
Verkauf einen Nutzungsvertrag für eine Mobilfunkanlage abzuschließen. Den Preis
der denkmalgeschützten Gründerzeitvilla musste er wegen der Antenne um 300.000
Mark senken.
www.buergerwelle.de