Betreff: Skandal in Frankreich: dubiose amtliche Verstrickungen mit Forschern bei Gutachten |
Von: Alfred Tittmann |
Datum: Thu, 28 Sep 2006 13:53:46 +0200 |
Übersetzung :
AFP Wirtschaft - FRANKREICH
Freitag, den 15. September 2006 – 09:30
Mobilfunk und Gesundheit
Nachhaltige
Forderung über endlich wirklich unabhängige Gutachten (WEEKENDER)
von Annie HAUTEFEUILLE
Wieder mal stellt sich die Frage der finanziellen
Unabhängigkeit der mit der Untersuchung eventueller Gesundheitsrisiken
betrauten Sachverständigen. Dies erfolgte im Anschluss an einen in
dieser Woche publizierten Bericht, der ein französisches Gutachten im
Bereich Mobilfunk sehr in Frage stellt.
Die Allgemeine Inspektion für
Sozialangelegenheiten (IGAS) und die Allgemeine Inspektion für Umwelt
(IGE) kreiden in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht die
Interessenverbindungen mehrerer Mitglieder einer Arbeitsgruppe der frz.
Agentur für Gesundheits-, Umwelt- und Arbeitssicherheit (AFSSET), mit
den Mobilfunkbetreibern an.
Bei zehn Experten, die an der Aufstellung
des im Juni 2005 veröffentlichten Berichts über "Mobilfunk und
Gesundheit" beitrugen, habe ein Experte ein "direktes Verhältnis mit
Bouyges Telecom" und drei andere eine "indirekte Beziehung mit France
Telecom".
Was die Gutachter des vorangegangenen Berichts betrifft,
der von der AFSSE (ursprünglicher Name AFSSET) im Jahre 2003
veröffentlicht wurde, bemängeln die Inspektoren der IGAS und der IGE,
dass selbige Gutachter gleichzeitig, also
" während der Bearbeitung dieses Berichts" , Artikel für eine
Sonderausgabe des Ärztemagazins Impact Médecine, "die
von einem Mobilfunkbetreiber gesponsert worden war", verfasst haben.
IGAS und IGE unterstreichen, dass "dies
zweifelsohne schwere Schatten über die Unparteilichkeit der damalig
laufenden Arbeit warf ".
Guy Paillotin, der Leiter des
Verwaltungsrats der AFSSE, hat selbst im Jahr 2005 seine "Desillusion"
über das im Jahr 2003 aufgestellte Gutachten, das auch von mehreren
ökologischen Organisationen kritisiert worden war, zum Ausdruck
gebracht.
2005, wie auch im Jahr 2003, hat die AFSSE
keine erwiesene Auswirkung der Mobilfunkantennen und der Handies auf
die Gesundheit festgestellt. Doch im Zweifelsfall einer eventuellen
Auswirkung auf jugendliche Gehirne empfahl sie, die Verwendung von
Handies bei Kindern möglichst zu vermeiden.
Nach der verspäteten Veröffentlichung des
auf Januar datierten Berichts von IGAS /
IGE , hat die AFSSET am Mittwoch einen Aufruf für Kandidaturen zur
Erneuerung der Mitglieder ihrer spezialisierten Gutachter-Komitees
bekanntgegeben.
Ein kürzlicher Bericht des Senats über die "Umstände,
unter denen Medikamente auf den Markt kommen und überwacht werden" warf
gleichfalls die Frage über die Unabhängigkeit der Experten gegenüber
der Industrie (in diesem Fall der Pharmazie) auf,
wie auch über die Finanzierung der Gesundheitsagenturen.
Anlässlich der Internationalen Konferenz
über Gesundheit und Umwelt, Anfang September, in Paris, zeigten
Schweizer Forscher, dass die von der Mobilfunkindustrie exklusiv
finanzierten Untersuchungen über den Mobilfunk weniger oft statistisch
relevante biologische Wirkungen feststellen, als Untersuchungen, deren
Finanzierung aus anderen Quellen stammt.
Es kann sich um eine
Veränderung des Elektroenzephalogramms, der hormonelen Sekretionen, der
Herzgefässfunktionen handeln, ohne dass dies unbedingt heissen soll,
dass eine Gefährdung der Gesundheit
vorliegt, meint Herr Martin Röösli (Universität Bern), Mitverfasser
dieser Zuverlässigkeitsanalyse.
Nur ein Drittel (4 auf 12) der von der Industrie
finanzierten Untersuchungen fanden mindestens eine nennenswerte
physiologische Wirkung, gegen 9 auf 11 Gutachten, die von öffentlichen
oder karitativen Organisationen gefördert wurden ; 10 auf 14 bei
gemischten Finanzierungen und 17 auf 22 für Studien mit nicht bekannter
Finanzierung.
Doch rein von der Industrie finanzierte Studien gibt es heute fast nicht mehr, meinte Prof. Röösli.
Der Kopf erhält bei 4 Sekunden Handy am Ohr genauso viel Strahlungen, wie ein 24-stündiges Verweilen in der Nähe einer Mobilfunkantenne, bei einem elektrischen Feld von 1 Volt/Meter (V/m), heisst es auch, wodurch die Gefahr durch die Mobilfunkantennen relativisiert wird, die ja bei den Anrainern doch viel Ängste auslöst.
Die Forscher sind jedoch bei den Mobilfunkrisiken vorsichtiger, wenn sie hauptsächlich von noch mangelndem Zeitabstand sprechen, während weitere Studien durchgeführt werden, um eventuelle schädliche Auswirkungen aufzuspüren.
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"Agir pour l'Environnement" – P.R.I.A.R.T.E.M.
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Pressemitteilung vom 12. September 2006 –
Obige Verbände erkämpfen schliesslich die
Veröffentlichung des Berichts, der das Gutachten der AFSSE sehr in
Frage stellt
Paris, den 12. September 2006 : Als Folge des Aufrufs der Verbände Agir pour
l'Environnement und von PRIARTEM an die Kommission für den Zugang zu
den Verwaltungsunterlagen (CADA) hat das Ökologie-Ministerium soeben
die vollständigen Text des Inspektionsberichts der Umweltinspektion
(IGE) und der Allgemeinen Inspektion für Sozialangelegenheiten (IGAS)
ins Internet gebracht. Es geht darin um die Beurteilung der wissenschaftlichen
Arbeitsmethoden der Frz. Agentur für Gesundheits- und Umweltsicherheit
(AFSSE).
Die
Hartnäckigkeit der Verbände trug den Sieg über die Passivität der
öffentlichen Behörden davon, welche sich bis dahin ausgiebig abweisend
verhalten hatten. Ungefähr 8
Monate dauerte es, und dann der Appell an die CADA, bis schliesslich
die zuständigen Ministerien endlich doch diesen Bericht herausgaben. Agir pour l'Environnement und PRIARTEM müssen leider
feststellen, dass der Ökologie-Minister wie auch der
Gesundheitsminister verzweifelt versucht hatten, besagten Bericht zu
begraben, um die Fehler des Vorstands der AFSSE zu verdecken.
Der klare, genaue und eindeutige Bericht
von IGE / IGAS hat den Verdienst, die methodologischen Schwächen
bezüglich der von der AFSSE aufgestellten Gutachten, im Speziellen
jenes über die Probleme des Mobilfunks, anzuprangern.
So haben die beiden Inspektoren von IGE
und IGAS hervorgehoben, dass "die Untersuchung der Öffentlichen
Erklärungen der Unabhängigkeit der 10 Mitglieder der Arbeitsgruppe
aufzeigt, dass für ein Mitglied eine 'direkte Abhängigkeit' von einem
Mobilfunkbetreiber und für zwei andere Mitglieder eine 'indirekte
Abhängigkeit' von einem anderen Mobilfunkbetreiber (…) vorhanden ist.
In der Synthese wird aufgezeigt, dass die Untersuchungen der AFSSE auf
dem Sektor Mobilfunk sich mit Fehlern in Bezug auf die Methodologie der
eingesetzten Prozeduren abgespielt haben. (…) Aus diesem Grunde ist die
Agentur das Risiko eingegangen, die Arbeit der Experten durch
Formfehler zu belasten, die im Falle eines Streitverfahrens von einem
Richter angegriffen werden könnten."
Für die sehr formelle Welt
der Generalinspektionen, die sich allgemein schriftlich und mündlich sehr gedämpft und zurückhaltend ausdrücken ,
sind solche Feststellungen wie regelrechte
Brandbomben, die nicht ohne Folgen bleiben können, wenn auch die
zuständigen Ministerien sehr zurückhaltend bleiben möchten.
Beim Lesen dieses Gutachtens, das auf
jeden Fall für die Zukunft bedeutsam sein wird, kann man nur
feststellen, dass es jetzt in Frankreich im Bereich des Mobilfunk kein
ernstzunehmendes und unanfechtbares Gutachten mehr gibt. Doch
angesichts der grossen Begeisterung der Franzosen für den Mobilfunk
(über 40 Millionen Benutzer) und die immer früher einsetzende
Verwendung der Handies bei den Jugendlichen und Kindern, fordern Agir
pour l'Environnement und PRIARTEM eine sofortige Erarbeitung eines
wissenschaftlich pluralistischen, kontradiktorischen und transparenten
Gutachtens. Die Verbände fordern darüberhinaus auch eine tiefgreifende
Reform der Arbeitsweise der AFSSE, die auch nicht vor dem im IGE /
IGAS-Bericht kritisierten Vorstand Halt
machen soll.
Agir
pour l'Environnement und PRIARTEM organisieren am Mitwoch den 13.
September 2006 zwischen 9.30 Uhr und 11 Uhr im AGECA – 177 rue de
Charonne , Paris -
eine Pressekonferenz mit dem Ziel, eine eingehende kritische
Analyse des IGE / IGES-Berichts vorzunehmen.
Pressekontakt :
Janine Le Calvez –
Priartém – Tel.: 01.42.47.81.54
Stéphen Kerckhove – Agir
pour l'Environnement – Tel.: 01.40.31.02.99