Betreff: Dr. Bergmann an Spiegel
Von: Alfred Tittmann
Datum: Wed, 30 May 2007 19:24:57 +0200

 

HLV INFO 56/AT

30-05-2007

Dr. Wolf Bergmann Freiburg 30-05-07

 

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

    ich habe persönliche Post bekommen vom Chefredakteur des Spiegel, ohne dass ich ihn angeschrieben habe.  Im Anhang eine Antwort von mir.

    Was mir auffällt: Wortwahl und Aussagen decken sich mit der von Herrn Dworschak. Aber auch mit  dem Tenor der geplanten  Propagandaveranstaltung des IZMF in Bremen und dem Artikel  von Frau Herr, die  von Polemikern und Panikmachern schreibt.
Ob hinter dem ganzen System  oder eine PR-Beratung steht, weiß ich nicht.  Interessant ists schon.

Vielleicht ist es auch ein Versuch, Energie von uns zu binden. So wichtig es ist,  die Auseinandersetzung in und mit den Medien zu führen -  zwischendurch denke ich: wenn ich in der Zeit,  die mich so ein Schreiben kostet, mit Anwohnern und Nachbarn über das Thema spreche, wäre auch viel (vielleicht mehr) gewonnen?! Es ist wohl  gut, auf verschiedenen Ebenen präsent zu sein, aber auch immer mal eine Bedenkpause einzulegen.
            In diesem Sinne


Viele Grüße aus Freiburg
Wolf Bergmann

 

 


 

 

Dr. med. Wolf Bergmann, Reichsgrafenstr. 28, 79102 Freiburg

 

Herrn Chefredakteur Stefan Aust

Spiegel-Verlag

 

Brandstwiete 19

20457 Hamburg

 

 

 

 

 

Freiburg, den 30.05.2007

 

 

 

Sehr geehrter Herr Aust,

 

            vielen Dank für Ihren Brief vom 11.5.07, der für mich in vielerlei  Hinsicht bemerkenswert ist:

 

Auf einen Brief von mir an die Leserbriefredaktion zum Artikel „Der Hamster ist Zeuge“ (18/2007) schreiben Sie mir als Chefredakteur persönlich. Daraus schließe ich, dass das Thema Mobilfunk und Gesundheit für Sie und Ihr Magazin von großer Brisanz ist.

Das erinnert mich daran, dass Ex-Kanzler Schröder das Thema ebenfalls  zur Chefsache machte, als Ex-Umweltminister Trittin hinter vorgehaltener Hand die Möglichkeiten einer Gesundheitsschädigung nicht mehr ganz ausschloß.

            Für mich als mündigen Bürger, Arzt und Wissenschaftler ist dieses Problem ebenfalls von lebenswichtiger Bedeutung und wert, dass jeder einzelne Bürger, wir Ärztinnen und Ärzte und die Gesellschaft als Ganzes dies bewußt zur Chefsache machen.

 

            Mir erscheint Ihr Brief auch bemerkenswert als Zeitdokument, das bis in die einzelnen Formulierungen hinein die Sprachregelung wiedergibt, wie sie täglich in den mainstream-Medien verbreitet wird.

 

            Deshalb erlaube ich mir, auf einige  Aspekte Ihres Schreibens in Form eines offenen Briefes ausführlicher einzugehen.

 

            Sie schreiben zu den Argumenten der  Mobilfunkkritiker, „bislang fand sich allerdings keines, das einer eingehenden Überprüfung hätte standhalten können. Was Sie eine „unabhängige, seit über 7 Jahrzehnten etablierte Wissenschaft von reproduzierbaren schädigenden biologischen Wirkungen“ nennen, ist nach unserem Kenntnisstand eher Fiktion als Tatsache. Die Wissenschaft ist sich vielmehr darin einig, dass schädigende Wirkungen, wenn es sie denn geben sollte, jedenfalls bislang nicht reproduziert werden konnten.“

 

Was bewegt Sie, sich als Journalist derart festzulegen? Haben Sie diese eingehende Überprüfung vorgenommenn? Auf was beruht Ihr Kenntnisstand? Auf wen oder was stützen Sie sich?

 

Die Wissenschaft gibt es nicht. Die heute vorherrschende und von den Mobilfunkbefürwortern vertretene Wissenschaft ist die sog.  reduktionistische, von Newton und Descartes geprägte Wissenschaft. Sie geht von einem linearen reproduzierbaren Ursache-Wirkung-Zusammenhang aus. Durch Zerlegung des Ganzen in seine Teile glaubt diese Wissenschaft, die Realität des Lebens als einzige objektiv erfassen, verstehen und beeinflussen zu könnnen. Diese Wissenschaft taugt für maschinenartige Prozesse und hat erstaunliche technische  Leistungen ermöglicht.

Für das Erforschen, Erfassen und Verstehen komplexer Lebenszusammenhänge, biologischer Regelkreise, kybernetischer und quantenphysikalischer Vorgänge ist diese Sichtweise nicht geeignet. Seit über 100 Jahren ist diese Wissenschaft z.B. von der modernen Physik, der Systemtheorie, der Biophysik und anderen ganzheitlichen Wissenschaften überholt worden. Allerdings, ohne dass diese alte Wissenschaft davon Kenntnis genommen hat. So müßte es Sie doch stutzig  machen, dass die Grenzwerte für Mobilfunkbelastung, bei deren Einhaltung ein Gesundheitsschutz behauptet wird, von einem privaten Verein von Technikern, Ingenieuren und Physikern der alten Physikrichtung festgelegt wurde. Dass ein solches Gremium nur Wärmewirkung „findet“ und nichts von der Unzahl  von energetischen und biochemischen Reaktionen, die vor und erst recht bei jeder Erwärmung ablaufen müssen und die Eigenregulation stören, sollte Sie nicht verwundern. (z.B. Kohärenzverlust der Biophotonen, Freisetzung freier Radikaler, Änderung des Membranpotentials unter Mobilfunkeinfluß und deren Bedeutung für die Störung der Homöostase.)

Die von Ihnen beschworene Wissenschaft ist weder willens noch in der Lage, die Umwandlung elektromagnetischer Schwingung in materielle Körperreaktionen zu begreifen.

 

Sie schhreiben weiter:  die gesamte Wissenschaft – mit Ausnahme einiger Einzelgänger“. Diese aus dem Artikel  von Herrn  Dworschak übernommene Formulierung meint offfensichtlich die mobilfunkkritischen Wissenschaftler.

 

Selbst wenn die Zahlenverhältnisse so wären wie Sie behaupten: die Quantität einer Wissenschaftsmeinung ist  noch kein Beleg für ihre Qualität. Die Erde blieb keine Scheibe, obwohl „die gesamte Wissenschaft“ das behauptete.

 

Aber woher wissen Sie, dass das Wissen über Gesundheitsschädigung durch Mobilfunk nur bei einer zahlenmäßig kleinen Minderheit vorhanden ist? Könnte es sein, dass Sie Lautstärke und Medienpräsenz einer bestimmten Wissenschaftsmeinung mit wissenschaftlichem Mehrheitswissen verwechseln? Ich erinnere an das „Zeit“ – Gespräch mit Prof. Antonietti, der auf die Frage, ob Handystrahlen das Gehirn schädigen könnten, antwortete, er  werde sich hüten, so etwas zu sagen, denn „die Mobilfunkindustrie verfügt über sehr gute Anwälte.“ Meine persönliche Erfahrung ist, dass sehr viele Wissenschaftler um die Gefahren wissen. Aber entweder nicht gehört, nicht gedruckt, schon gar nicht mit Forschungsgeldern bedacht werden oder sich nicht öffentlich äußern.

 

Damit komme ich zum nächsten bemerkenswerten Punkt Ihres Briefes: Das Thema Macht und Einflußnahme der Industrie auf die Forschung scheint für Sie nicht zu existieren. Was der Spiegel  2005 über die Einflußnahme der Tabakindustrie auf die Wissenschaft geschrieben hat, macht auf wundersame Weise vor der Mobilfunkforschung halt. Das verdeutlicht noch Ihr Satz: „jedes Medium, das bei Verstand ist, würde sich darum reißen, endlich einmal exklusiv Belege für die Gefährlichkeit des Mobilfunks zu präsentieren.“

 

Mir fällt mir auf, dass Herr Dworschak vor einigen Wochen exakt diese Formulierung brauchte. Was mir v.a. auffällt: Sie haben einen wichtigen Satzteil weggelassen. Es müßte meiner Meinung nach heißen, „die Medien würden sich darum reißen....wenn es sie nichts kostet.“

 

Einen kritischen, unabhängigen und unvoreingenommenen Bericht über die vorhandenen alten und neuen Forschungen, Belege und Beobachtungen über die Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk zu veröffentlichen, würde jedes Medium einiges kosten:

 

--- es kostet die  Bereitschaft, die wohlfeilen mainstream-Positionen zu hinterfragen und einen kontroversen Disput inhaltlich und achtungsvoll zuzulassen.

--- es kostet Civilcourage.

--- und es kostet Sie und andere Medien die Einnahmen aus der Werbung der Mobilfunkindustrie und von den mit ihr verbundenen Branchen.

 

            Da Sie nicht Chefredakteur des Spiegel geworden wären, ohne von derlei Geschäften etwas zu verstehen, erscheint mir Ihre Behauptung, Sie würden sich um einen solchen Bericht reißen, als Versuch, dieses heikle Thema aus der Diskussion herauszuhalten.

 

            Noch etwas Bemerkenswertes: Sie beziehen sich auf meine Äußerungen, dass bei vielen elektrosensitiven Menschen mit Beschwerden diese wieder verschwinden oder sich bessern, wenn die Strahlenbelastung vermindert wird. Sie versteigen sich zu der  Aussage, „dass dieser Effekt nur auftritt, wenn die Betroffenen wissen,  dass sie sich in einem Funkschatten begeben.“  Wer hat Ihnen das erzählt?

 

            Es fällt mir schwer, Ihnen Ihre Anteilnahme an den „Leidenden“  zu glauben,  wenn Sie schreiben: „Es könnte sogar sein, dass man ihnen schadet, wenn man sie zu Gefangenen einer irrealen Strahlengefahr erklärt.“

 

            Da deckt sich Ihre Sprache bis in die einzelne Wortwahl mit der Sprache einiger Referenten, die die Industrie für Ärztefortbildungen engagiert. Da ist die Rede von Panikmache und irrealer Diskussion, wenn es um mobilfunkkritische Äußerungen geht.

 

            Ein von Ihnen angesprochener Punkt liegt mir im Zusammenhang mit Mobilfunkgefahren besonders am Herzen: die „Frage, welche Umweltfaktoren es sind, die Menschen erkranken oder gesunden lassen...“

 

Eine durch Mobilfunkfrequenzen auslösbare reproduzierbare Schädigung ist nie die einzige Ursache der beobachtbaren und meßbaren Schädigung. Sie ist immer eine komplexe systemische Reaktion in einem hochkomplexen System. (s.o.) Diese jeder systemischen Wissenschaft zugrunde liegende Banalität schließt die wissenschaftlich belegbare und belegte Schädigung durch Mobilfunk allerdings keineswegs aus.

 

Selbstverständlich bietet sich jede reale oder befürchtete Gefahr immer als  Projektionsfläche für Ängste an, die ganz andere Quellen haben. Dies als Argument gegen die Existenz der Schädigung von Mobilfunkfrequenzen aufzufahren, spricht  nach meinem Dafürhalten für absichtlich versuchte Ablenkung oder Ignoranz.

 

Mit diesem realen Problem menschendienlich umzugehen, erfordert differenzierendes Hinschauen, menschliche Anteilnahme, kritische Distanz und viel Erfahrung bei guter Fachkenntnis.

 

            Sich für eine derartige achtsame und der Vorsorge verpflichteten Sichtweise in Ihrem Magazin einzusetzen, wäre in meinen Augen eine sehr lohnende „Erfüllung der journalistischen Sorgfaltspflicht“, von der Sie am Schluß Ihres Briefes schreiben.

 

            Wenn Sie allerdings als Chefredakteur die in Ihrem Brief festgeschriebenen „Dogmen“ vertreten, wie mag es einem Journalisten ergehen, der sich nicht an diese hält und ergebnisoffen und kritisch recherchiert und berichten will?

 

 

 

 

 

                                                Mit freundlichen Grüßen