Betreff: Brief an Bürgermeister Dr. Schirmbeck, Taucha -- Trafostation
Von: Alfred Tittmann
Datum: Mon, 29 Jan 2007 17:24:30 +0100

Alfred Tittmann                                                                          Kettelerstr. 3

                                                                                                              63486 Bruchköbel

 

 

 

Offener Brief

 

Herrn

Bürgermeister Dr. Holger Schirmbeck

Rathaus

Schlossstrasse 13
04425 Taucha

 

 

holger.schirmbeck@taucha.de

 

 

                                                                                                                29. Januar 2007

 

Demontage eines alten Trafohauses

Neuerrichtung eines Trafos direkt an

angrenzendem Wohnhaus in Taucha

 

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Schirmbeck,

 

 

in o.A.  erhielt ich von guten Freunden aus Taucha wegen deren Besorgnis um ihre zukünftige
Gesundheitssituation Kenntnis.

 

Nach meiner Information soll eine alte Trafostation, die über 12 m vom nächsten Haus steht,
abgebaut werden. An deren Stelle soll nunmehr ein bereits errichteter Trafo mit erhöhtem
Magnetfeld wegen der Verbrauchserhöhung durch weitere 18 Häuser eines Wohnparks,
der jetzt in ca. 1 Meter Entfernung aufgestellt wurde, treten.

 

Dies widerspricht den nationalen und internationalen Vorsorgeschutzintentionen!

 

Obwohl Sie als Bürgermeister einer Fürsorgeverpflichtung gegenüber der Bevölkerung
unterliegen, sehen Sie leider keinen Handlungsbedarf. Anstelle in erster Linie Ihren BürgerInnen
verpflichtet zu sein verlassen Sie sich auf die “Seriosität“  des Energiedienstleisters EnviaM in dem
Sinne, man müsse sich auf dieses Unternehmen verlassen können.

In der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über
elektromagnetische Felder - 26. BImSchV) sind Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung vor
gesundheitlichen Gefahren durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder von
Niederfrequenz- und Hochfrequenzanlagen festgelegt.Wirkung der Körperstromdichte Sie gilt seit 1997 und beruht auf Empfehlungen der Strahlenschutzkommission und der "Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung" (ICNIRP).

 

Auf der Homepage des Bundesamtes für Strahlenschutz (BFS)

finden Sie unter dem Link http://www.bfs.de:80/elektro/nff/recht.html

 

 

Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen

 

nachstehend definierte Empfehlungen:

 

„Neben den nachgewiesenen gesundheitlichen Auswirkungen gibt es allerdings wissenschaftliche Hinweise auf gesundheitliche Risiken bei niedrigen Feldstärken. Um diesen Hinweisen Rechnung zu tragen, fordert das BfS Vorsorgemaßnahmen:

Eine Minimierung der Exposition der Bevölkerung lässt sich durch verschiedene Maßnahmen erreichen, für die sowohl Behörden als auch Bauherren und Gerätehersteller, aber auch jede/r einzelne Bürger/in verantwortlich sind:

Da nächtliche Expositionen von längerer Dauer sind, sollte hier aus Vorsorgegründen vor allem auf einen ausreichenden Abstand zu den Feldquellen geachtet werden. Dies gilt im besonderen Maße für Babies und Kleinkinder. Netzbetriebene Radiowecker sollten daher nicht direkt neben dem Kopfteil des Bettes aufgestellt werden. Beim Sender des Babyphons und vor allem beim Netzgerät sollte auf einen ausreichenden Abstand zum Bett des Kindes geachtet werden. Falls möglich sollte der Sender mit Akkus betrieben werden, da dann keine niederfrequenten Wechselfelder auftreten.“

Zusammenfassend also eine deutliche Aufforderung zur Expositionsminimierung!

 

Außerdem möchte ich bezüglich der für den Niederfrequenzbereich festgelegten Grenzwerte

durch die ICNIRP (einem privaten Verein mit Sitz in München, der sich aus lauter Industrie-

vertretern  zusammensetzt und ausschließlich Grenzwerte in deren Interessen festgelegt

hat) noch auf folgendes hinweisen:

 

Das „Experten-Gremium“ ICNIRP lag falsch bei der Festsetzung  der Grenzwerte der
Induktion 100 mT, weshalb diese in der internationalen Wissenschaftsgemeinde heftig
umstritten sind. Seit Sommer 2001 ist von der IARC Lyon (International Agency on
Research of  Cancer, Zusammenarbeit mit der WHO) festgestellt, dass ab 0,4 mT das
Risiko für Tumore signifikant erhöht ist. Dennoch wird nichts am bestehenden Grenzwert
von 100
mT geändert.

 

Die Kritiker lagen dagegen mit ihrem empfohlenen Grenzwert von 0,2 – 0,4 mT 
vollkommen richtig.

In den USA hat der “Rat für Strahlenschutz“ (NCRP) einen Richtwert von nur 0,2 mT
festgelegt; auch in der Schweiz wurde eine deutliche Reduzierung vorgenommen.

Der deutsche Wert ist 500 mal höher als die fixierte Vorsorgerichtlinie.

 

Daß elektrische Felder im Rahmen unserer Grenzwerte krank machen können bis hin zu

dramatischen Leukämieerkrankungen insbesondere bei Kindern ist mehrfach weltweit
beobachtet und erwiesen, ansonsten hätte das Internationale Krebsforschungszentrum 
IARC in Lyon keine Reduzierung in 2001 festgelegt!

 

Und Sie als Bürgermeister wollen sich da ausschließlich der Seriosität eines Wirtschaftsunter-

nehmens unterwerfen?

 

Fakt ist, dass die Grenzwertverordnung keine Vorsorgeanforderungen enthält.

 

Vorsorge hat also bei der Festlegung der Grenzwerte keine Rolle gespielt. Das bestätigte
auch die Bundesregierung in der Antwort v. 4.1.2002 auf eine Große Anfrage einiger
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Bundesgerichtshof am 13.02.2004
in zwei Entscheidungen in Bezug auf die Parallelität zur Hochfrequenz, wie sie sich bei der
Mobilfunkthematik stellt!

 

Dass trotz alledem diesbezüglich noch immer keine Konsequenzen gezogen werden, ist mehr
als beklagenswert, ändert aber absolut nichts an den bekannten Risiken. Es ist zu bedauern, dass das durchaus vorhandene Wissen noch keinen Einfluss auf Politik und Wirtschaft gefunden hat.

 

Nur so viel zur Verlässlichkeit von Grenzwerten und angeblichen seriösen Unternehmen,

welche verständlicherweise kommerziellen Interessen unterliegen, aber mit Recht in der Kritik
stehen, weil konsistente Hinweise deren Ignoranz  ad absurdum führen.

 

Es ist zu bedauern, dass Sie dem Vorsorgeaspekt, welcher im Interesse unserer Kinder auch
gemäß der EU-Parlamentsforderung grundsätzlich besteht, nicht Rechnung tragen wollen.
Am 2. Februar 2000 hat die EG- Kommission auf Veranlassung des Rates der EG eine
Mitteilung zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips veröffentlicht. Danach ist gem. Ziff 5
dieser Leitlinien eine Berufung auf das Vorsorgeprinzip dann möglich, wenn potenzielle
Gefahren eines Phänomens, Produkts oder Verfahrens durch eine objektive wissenschaftliche
Bewertung ermittelt wurden, wenn sich das Risiko aber nicht mit Sicherheit bestimmen lässt.

 

Und zum Nachweis dafür, dass die dargestellten Prinzipien des Umweltrechts nicht nur
politischen Maximen, sondern kodifizierte Rechtsgrundsätze sind, möchte ich noch
auf Art. 130r II (nach Änderung Art. 174 II) EG-Vertrag hinweisen:

 

"Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen
Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab.
Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz,
Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen
,
sowie auf dem Verursacherprinzip."

 

Was könnte falsch daran sein, nach dem Grundsatz "in dubio pro securitate" vorzugehen
und bezüglich der Trafoangelegenheit Ihre erteilte Genehmigung zurückzuziehen und eine
Verlagerung der Trafostation zu fordern?

 

In Anbetracht der historischen Entwicklung der zurückliegenden und noch immer
aktuellen Diskurse bei Asbest, Holzschutzmitteln, Contergan, Radar, Rauchen,
usw. ist es m.E. nur eine Frage der Zeit, dass Veränderungen kommen werden;
man kann sich schon vorstellen, wie Politiker dann rückwärtsgewandt ("zurückrudernd")
argumentieren werden.

 

Verantwortungsvolle Politiker, insbesondere ein Stadtoberhaupt, sollten eigentlich
dem Vorsorgeprinzip per se aufgeschlossener gegenüberstehen.

 

Gerne hören ich wieder von Ihnen!

 

 

Mit freundlichen Grüßen