BW "bedroht UMTS"

Proteste gegen Mobilfunkmasten bedrohen pünktlichen UMTS-Start
[Heise-online-news 12.11.2001 09:09 ]

Ausgerechnet im "Hightech-Land Bayern" tobt der Protest gegen Mobilfunkmasten so massiv wie in keinem anderen Bundesland. Aus Furcht vor möglichen Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Strahlungen[1] kämpfen zwischen Aschaffenburg und Garmisch-Partenkirchen mehrere Hundert Bürgerinitiativen gegen die Sendeanlagen an. Die bundesweite Dachorganisation der Mobilfunkkritiker Bürgerwelle[2] mit Sitz im oberpfälzischen Tirschenreuth will den Telekommunikationsunternehmen auch beim Netzaufbau für den neuen Mobilfunkstandard UMTS kräftig dazwischen funken. Bei den Mobilfunkanbietern wächst die Sorge vor Verzögerungen für das Prestigeprojekt.

"Bei UMTS können wir uns keinen Flop leisten", warnt Siemens-Vorstand Volker Jung, der zugleich Präsident des Hightech-Branchenverbandes Bitkom[3] ist. Eine weitere Absenkung der zulässigen Grenzwerte für die Leistung der UMTS-Sendemasten, die von vielen Bürgerinitiativen gefordert wird, würde die ohnehin horrenden Kosten für die Mobilfunkanbieter nochmals erhöhen. "Der Leistungs- und Kostendruck, der auf Netzbetreibern und Ausrüstern lastet, ist enorm." Die Konsequenzen des Feldzuges gegen die Mobilfunkmasten bekommt Jung täglich zu spüren: In seinem Haus im noblen Vorort Grünwald im Münchner Süden hat er mit seinem Handy keinen Empfang.

Durch Bürgerbegehren und Gerichtsprozesse[4] gegen die Mobilfunkanlagen könnten die Gegner den Zeitplan für den Start des UMTS-Netzes durcheinander bringen. Bei der Ersteigerung der milliardenteuren UMTS-Lizenzen[5] mussten sich die Mobilfunkanbieter verpflichten, bis zum Jahr 2003 die Abdeckung eines Viertels der Bevölkerung zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie nach Angaben des Berliner Informationszentrums Mobilfunk bis zum Jahr 2003 zusätzlich zu den bestehenden Sendeanlagen mindestens 10 000 neue Masten errichten. Insgesamt erhöht sich die Zahl der Sendeanlagen in Deutschland damit auf rund 40 000.

Zwischen 1000 und 5000 Mark pro Jahr zahlen viele Mobilfunkbetreiber Hausbesitzern, die sich eine Sendeanlage aufs Dach stellen lassen. Doch in der Nachbarschaft machen sie sich damit vor allem in ländlichen Regionen kaum beliebt. "Es gibt genug Beweise dafür, dass diese Mobilfunkanlagen die Gesundheit gefährden", sagt Barbara Eidling vom Vorstand der Bürgerwelle. Vor vier Jahren als bayerische Organisation gegründet, vertritt die Bürgerwelle inzwischen mehr als 1000 Initiativen in ganz Deutschland.

Die beiden in München ansässigen UMTS-Lizenznehmer Viag Interkom und das spanisch-finnische Konsortium Group3G betrachten die Protestbewegungen mit Sorge. "So massiv habe ich das in keiner anderen Region erlebt", sagt Viag-Interkom-Chef Rudolf Gröger. Inzwischen strahlt die Bürgerwelle aber auch in andere Regionen aus. Mehr als 1000 Initiativen in ganz Deutschland haben sich der Bürgerwelle angeschlossen. "Wir waren hier in Bayern ein bisschen die Vorreiter", sagt Eidling. Derzeit wachse der Widerstand speziell auch in den neuen Bundesländern. In ganz Deutschland haben die Mitstreiter der Bürgerwelle nach Angaben von Eidling bislang in mehr als 500 Kommunen Sendemasten verhindert oder abbauen lassen. "Wir betreiben keine Panikmache, sondern Aufklärung", betont Eidling.

Die Staatsregierung nimmt die Sorgen der Mobilfunkgegner ernst. Neben verschiedenen anderen Studien ließ der Freistaat Bayern auf Druck von Naturschützern bereits im Jahr 1998 für 800.000 Mark die weltweit erste Studie zu möglichen Einflüssen von Mobilfunkanlagen auf Rinder[6] erstellen. Ein direkter Zusammenhang[7] ließ sich nach Angaben des Umweltministeriums in den Untersuchungen aber nicht erkennen. (Daniela Wiegmann, dpa) / (jk[8]/c't)


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