BW-Gutachten im Landtag

Gutachterliche Stellungnahme der Bürgerwelle als geladener Sachverständiger im Landtag Mecklenburg-Vorpommern

Öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung über Mobilfunk-Sendeantennen

am 12. September 2001 im Plenarsaal des Schweriner Schlosses

 

Sehr geehrte Frau Dr. Seemann,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Bürgerwelle e.V. ist der Dachverband der Bürger und Initiativen zum Schutz vor Elektrosmog. Die Bürgerwelle ist ein eingetragener Verein mit finanzbehördlicher Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Die Bürgerwelle betreut über 800 Initiativen allein in Deutschland, aber auch schon viele in Österreich, Schweiz, Italien und Luxemburg. Täglich werden es mehr.

 

Für die Mobilfunkstrahlung gibt es gesetzliche Grenzwerte. Diese berücksichtigen aber nur thermische Wirkungen. Das bedeutet  nur einen Schutz vor Hitzestreß. Somit werden i.d.R. in 2-10 Metern Abstand von einer Mobilfunksendeantenne diese Grenzwerte bereits eingehalten.

Deshalb sind die jetzigen Grenzwerte keine Vorsorgewerte und bieten, außer vor der Überwärmung des Körpers, keinerlei Schutz für den Menschen:

”Die Grenzwerte sind liederlich und fahrlässig.” (Prof. Siegfried Knasmüller, Universität Wien)

 

Dabei ist längst bekannt, daß die sog. athermischen Wirkungen, (die Wirkungen bei geringen Strahlungsintensitäten,  ohne dass sich der Körper merklich erwärmt) größte gesundheitliche Konsequenzen haben.

Bereits seit langem zeigen sich immer mehr Probleme bei Mensch und Tier nach der Installation von Mobilfunksendeanlagen.

Der Mensch reagiert nachweislich bereits auf Strahlungsintensitäten, wie sie noch in mehreren Kilometern Entfernung von Sendeanlagen erreicht werden.

 

Prof. Dr. Peter Semm, Universität Frankfurt, forschte jahrelang für die Deutsche Telekom. Bereits 1995 stellte er fest, dass bei Bestrahlung mit gepulster Hochfrequenz (900 MHz), weit unterhalb der Grenzwerte, 60% der Nervenzellen falsch reagieren.

Eine Kurzfassung eines Vortrages wurde mit Zustimmung der Deutschen Telekom (Forschungszentrum Darmstadt) in einem Kongreßband (ETC 96, Europäische Telemetrie Konferenz, Garmisch-Partenkirchen 21.5. – 23.5.96) veröffentlicht. Mitarbeiter der Deutschen Telekom waren im Labor von Professor Semm bei den Versuchen anwesend, haben diese anerkannt und mit publiziert. Zur Überprüfung der Reproduzierbarkeit der Reaktionen der Nervenzellen wurde der amerikanische Biologe und Verhaltensforscher Prof. Dr. R.C. Beason, (damals State University of New York at Geneseo) auf Kosten der Telekom eingeladen. Er konnte die Ergebnisse voll bestätigen und wird sie in Kürze als Co-Autor zusammen mit Herrn Semm veröffentlichen.

 

Prof. Semm machte diese Feststellungen  noch bei 200 nW/cm².  Das ist ca. 2350- fach unter dem gültigen Grenzwert!

Weil Prof. Semm nicht mit noch geringeren Leistungen geforscht hat, kann er auch nur vermuten, dass Nervenzellen auch noch unterhalb dieses Wertes falsch reagieren.

 

Fazit: Die Telekom weiß aus eigenen Versuchen, daß es weit unterhalb der Grenzwerte zu gesundheitlichen Störungen kommt, behauptet aber öffentlich, die Grenzwerte wären sicher.

 

Prof. Leif Salford, Neurochirurg der schwedischen Universität Lund: ”Unsere Forschungen zeigen, dass die Strahlung von mobilen Telefonen die Blut-Hirn-Schranke öffnet und es so vielen Giften leichter macht, in das Gehirn zu gelangen.

Sezierte Rattenhirne weisen als Folge der Mobilfunkstrahlung gut sichtbare Spuren auf. Die Hirne sind übersät mit dunklen Flecken und deutlich geschädigt. Es tritt Flüssigkeit aus, verursacht eben durch diese elektromagnetische Strahlung. Medikamente und andere Schadstoffe, die sonst nicht durch diese Schranke kommen, finden jetzt den ungehinderten, direkten Weg ins Gehirn mit uneinschätzbaren Folgen.”

Selbst bei Leistungen, die 20.000-fach unter denen eines Handys liegen, versagt die Blut-Hirn Schranke. Diese Leistungen werden von schnurlosen Heimtelefonen nach dem DECT-Standard und auch Mobilfunkbasisstationen noch in großem Abstand erreicht.

 

Die Hochfrequenzforschung wird fast ausschließlich von der Industrie bezahlt. Die Studien werden von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und vor allem der ICNIRP (Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung) ausgewertet und die ICNIRP empfiehlt Grenzwerte, die von nationalen Gremien übernommen werden. Aber selbst der Umweltausschuß des EU-Parlaments wirft in seinem Beschlussentwurf für den 8.3.99 der EU und der WHO vor, bislang die Ergebnisse einer großen Zahl wissenschaftlicher Publikationen ignoriert zu haben. Noch deutlicher schreibt der Wissenschaftler Dr. Neil Cherry, Lincoln Universität Neuseeland, der die Arbeitsweise der ICNIRP untersucht hat. “Ich zeige klar und schlüssig auf, dass hier eine Voreingenommenheit besteht gegen die Entdeckung und die Anerkennung von schädlichen Wirkungen, die so weit geht, dass die vorhandenen wissenschaftlichen Studien, welche diese Wirkungen beweisen, ignoriert werden, und diejenigen, die man ausgewählt hat, werden falsch dargestellt, falsch interpretiert und falsch gebraucht. Die ICNIRP-Bewertung von Wirkungen (1998) wurde durchgesehen und als ernsthaft fehlerbehaftet befunden, sie enthält ein Muster von Voreingenommenheiten, bedeutenden Fehlern, Weglassungen und absichtlichen Verdrehungen.”

 

Nur mit dieser Vorgehensweise können diese Institutionen auf den jetzt bestehenden Grenzwerten beharren. Dabei schreibt sogar die WHO in ihrer Broschüre vom Okt. 1999:

“Keine Normungsbehörde hat Expositionsrichtlinien mit dem Ziel erlassen, vor langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen, wie einem möglichen Krebsrisiko, zu schützen.”

 

Wenn es also nicht das Ziel der Grenzwertkommissionen und der Grenzwerte war, uns einen langfristigen Schutz zu geben, um den es aber geht, können die bestehenden Grenzwerte auch nicht sicher sein und die Politik ist umgehend aufzufordern nicht weiter auszusagen, daß die Grenzwerte die Gesundheit ausreichend schützen.

 

Der jetzt für Deutschland diskutierte sog. “Schweizer Vorsorgewert” bringt ebenfalls keine merkliche Entlastung. Denn diese Werte halten bereits jetzt nahezu alle Mobilfunksender ein (siehe Meßwerte der RegTP).

 

Der derzeitige Grenzwert im D-Netz liegt bei 470.000 nW/cm², im E-Netz bei 950.000 nW/cm²

Der sog. “Schweizer Vorsorgewert” liegt bei 4.000 nW/cm². Tatsächlich erreicht um die Sender werden aber meist nur mehrere hundert nW/cm². Aus der Erfahrungsmedizin und tausenden von Wohnungsuntersuchungen mit Ärzten ist bekannt, daß der größte Teil der Erkrankten in einem Leistungsbereich der Strahlung von 0,1 bis ca. 50 nW/cm² liegt. Deshalb wird in einer Resolution anlässlich des Elektrosmog-Forums in Bonn am 19./20.10.1999 an Bundesumweltminister Trittin von Wissenschaftlern, medizinischen Verbänden und Verbraucherschutzorganisationen ein Vorsorgewert für die gepulste Strahlung von 0,1 nW/cm² gefordert.

 

Um einen Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, müssen wir deutlich unter die Sendeleistungen gehen, die die Sender zur Zeit erreichen.

 

Nimmt man nun den nach jetzigem Wissenstand vertretbaren Grenzwert von 0,1 nW/cm² und weiß Bescheid über die Betreibernetztechnik, so wird klar, daß ein flächendeckendes Mobilfunknetz mit der zur Zeit verwendeten Technik nicht mit einem Gesundheitsschutz vereinbar ist.

Hier stellt sich die Frage: Wollen wir unbedingt überall mobil telefonieren können mit der Folge der unübersehbaren Schädigung der Volksgesundheit oder wollen wir einen Gesundheitsschutz und sind bereit zu akzeptieren, dass momentan dann – bis zur Bereitstellung wirklich  innovativer Techniken - nicht überall mobil telefoniert werden kann.

 

Es sind dringend unschädliche Alternativen der drahtlosen Kommunikation zu suchen! Die Investition von Bruchteilen der UMTS-Gelder in solch innovative Techniken hätte definitiv bereits heute biologisch verträglichere Systeme zur Folge.

 

Bereits der jetzige Zustand ist nicht mehr tragbar, ein weiterer Ausbau der aktuellen Systeme verbietet sich von selbst.

Die Grenzwerte sind sofort und drastisch zu senken, und zwar auf 0,1 nW/cm² im Wachbereich und auf 0,001 nW/cm² im Schlafbereich.  Aufklärung der breiten Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern der Politik, Behörden und Medizin ist gefragt. Die Politik ist aufgefordert, endlich Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen Gesundheitsschutz gewährleisten.

 

Wenn selbst der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, das bis jetzt die Probleme verharmlost hat, Handynutzer vor möglichen Gesundheitsrisiken warnt und sagt: “Eltern sollen ihre Kinder möglichst von dieser Technologie fernhalten.” sollte die Politik dringend handeln.

 

Siegfried Zwerenz

Bürgerwelle e.V.

www.buergerwelle.de