Sonderdruck aus WOHNUNG+GESUNDHEIT, Heft 85, 1997

Streß durch Sender

Schnaitsee

Das Veterinäramt in Traunstein stellte im April 1997 in einem Gutachten fest, daß die elektromagnetischen Strahlen von Sendern fähig seien, "Verhaltensänderungen und Stoffwechselstörungen mit zum Teil tödlichem Verlauf" bei Tieren zu verursachen. Was war passiert?

Die Milchviehherde von Bauer Josef Altenweger aus Schnaitsee zeigt seit 1995 Probleme: Fehl- und Mißgeburten (6 in nur 9 Monaten), Gelenkdeformationen und -schmerzen (einige Tiere können nicht mehr stehen), Abmagerung (mehrere mußten notgeschlachtet werden), Entzündungen der Augen (die Tiere reiben sich an Zäunen und Gegenständen unentwegt ihre Augen), Orientierungslosigkeit (einige liefen voll in die Stacheldrahtzäune), Hektik und andauerndes nervöses Trippeln (teilweise stundenlang), unübliche Apathie, unerklärliche Hirntumore, unerwartes Herzversagen, spontanes Verenden...

Als die Kühe in einen 25 km entfernten Hof gebracht wurden, da verschwanden alle diese Symptome nach wenigen Tagen, als sie wieder zurück in den Heimatstall kamen, waren sie wieder da.

Zusätzlich auffällig: Alle Jungen der sechs Schwalbenpärchen, die im Stall nisteten, starben erstmalig im Sommer 1996 kurze Zeit nach dem Schlüpfen. Überall in der Umgebung des Hofes stehen verkrüppelte und unbelaubte Obstbäume. All das wurde gefilmt und fotografiert. Der Bauer und seine Familie sind ständig krank: Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Herzjagen, Magenkrämpfe, Schlaflosigkeit.
Behörden, Ärzte und Universitäten untersuchten das Vieh mehrmals, der Amtstierarzt war auf dem Hof der Altenwegers Dauergast. Infektionen, BSE, Fütterungs- oder Haltungsfehler konnten ausgeschlossen werden. Es wurde nichts gefunden, was die zunehmenden Probleme der Kühe erklären könnte, bis auf diesen 150 Meter hohen Sendeturm neben dem Hof. Günter Käs, Professor an der Bundeswehruniversität Neubiberg stellte "eine hohe elektromagnetische Strahlung" fest, an einigen Stellen bis 1000 nW/cm². Der Turm ist gemischt bestückt: Radio, Fernsehen, Richtfunk, Eurosignal, C-Netz und seit 1995 neue Sender für den D-Netz-Mobilfunk.

Dr. Schmid, Tierarzt des Traunsteiner Veterinäramtes sah hier den einzig möglichen Zusammenhang und forderte: "Da bei den Tieren erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden im Sinne des Tierschutzgesetzes auftreten, muß für schnelle Abhilfe gesorgt werden." Für den weiteren Beweis forderten das Amt und die Grünen in einem Dringlichkeitsantrag, die Sendeanlage für einige Tage abzuschalten. Der Umweltausschuß im Bayerischen Landtag nahm den Antrag am 16.10.97 an und will eine Studie einleiten. Das Gesundheits- und Sozialministerium beruft sich auf die Elektrosmogverordnung und wiegelt erstmal ab.

Volker Hartenstein von den Grünen: "Der Ausschuß stellte fest, daß Harmlosigkeitserklärungen keine wissenschaftliche Grundlage haben. Das Ergebnis der nun beschlossenen Studie wird bundesweite Auswirkungen auf die Beurteilung elektromagnetischer Felder und den weiteren Ausbau des Mobilfunks haben."

Wallerhausen

In Wallerhausen östlich von Köln steht seit langen Jahren ein Sendeturm. Es gab nie Klagen aus der Bevölkerung. Vor fünf Jahren wurde zusätzlich das Euro-Signal installiert. Seitdem zeigten die Feldstärke- und Modulationsmeßgeräte Vollausschläge. Wie von Geisterhand öffneten sich in Wallerhausen Garagentore. Aus Telefonen tönte das Euro-Signal. Radiogeräte dröhnten, Leuchtstoffröhren gingen ungebeten an. Zwei Kinder mit drei Daumen und verkrüppelten Nieren wurden geboren. Auffällig viele Erwachsene beklagten Ohrenrauschen, Kopfschmerzen, Schwindel, dauernde Müdigkeit, Allergien und Schlafstörungen. Jeden Monat gab es in dem 300-Seelen-Örtchen einen neuen Hörsturz. Einige hatten Nervenschmerzen, besonders im Gesicht. Man bekam Angst und machte sich ernsthafte Sorgen.

Der Hof des Landwirtes Eduard Schumacher liegt direkt neben diesem Sendemast 'Waldbröl II'. Seit der Installation des Euro-Signales starb mehr Vieh als je in den Jahrzehnten zuvor, es gab mehrere auffällige Fehlgeburten und Verkrüppelungen bei den Kälbern. Im Februar 1995 wurde ein Kälbchen mit zwei Köpfen und fünf Beinen geboren.

Die Bürger von Wallerhausen legten Protest ein, beschwerten sich bei den Behörden, informierten die Medien, kämpften gegen den Betreiber des Senders, die Telekom-Tochter DeTeMobil. Im September 1995 kam das überraschende Fax der Telekom: Der Euro-Signal-Sender soll innerhalb der nächsten vier Wochen wieder abgebaut werden.

Ende September 1997, zwei Jahre nach dem Abstellen des Euro-Signal-Senders, hört man aus Wallerhausen: Alle technischen Störungen waren sofort verschwunden, die biologischen Probleme gehören der Vergangenheit an. Es gab keinen einzigen Hörsturz mehr, keine Nervenschmerzen, die Leute schlafen wieder gut. Bauer Schumacher ist zufrieden, sein Vieh gesund.

Vollersode

Der Arzt für Allgemeinmedizin, Dr. Egbert Kutz aus Vollersode bei Bremen, stellte im Zeitraum von 1981 bis 1994 auffällig viele Hirntumorfälle in seiner kleinen Gemeinde fest, besonders bei Kindern. Er registrierte 3,5 mal mehr Hirntumore als normal. Der Verdacht richtete sich gegen eine Radaranlage der Bundeswehr, aber auch gegen den D1-Mobilfunkturm der Telekom.

Die meisten Erkrankten lebten genau zwischen diesen beiden Sendeanlagen. In Zukunft sollen weitere Strahlenquellen durch D2-Mobilfunksender von Mannesmann dazukommen. Die Klage einer Bürgerinitiative wurde vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg abgewehrt.

Das Niedersächsische Gesundheitsamt führte daraufhin eine Befragung der Erkrankten und von Angehörigen der Verstorbenen durch, um herauszufinden oder auszuschließen, ob weitere Faktoren wie Medikamente, medizinische Strahlenanwendungen, elektrische Geräte im Schlafbereich, Ernährung, Rauchen, Alkohol, Holzschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel oder andere Einflüsse mit im Spiel sind. Das war nicht der Fall; somit wurden der Verdacht des Arztes und die Sorgen der Einwohner in Bezug auf die Sender bestätigt.

Holzkirchen

In Holzkirchen bei München steht die stärkste Sendeanlage Bayerns. Über eine Million Watt strahlen hier die Kurz- und Mittelwellensender ins Land, Mobilfunksender stehen direkt daneben. Kaum zu glauben: An den Verkehrschildern und Ampeln der nahen Wohnsiedlungen wurden Warnschilder angeschraubt: 'Vorsicht Herzschrittmacherträger, Gefahr!', denn die Schrittmachergrenzwerte werden hier, wo Menschen leben und Kinder spielen, zehnfach überschritten. Das Bundesamt für Post und Telekommunikation in Rosenheim hat dem Senderbetreiber vor wenigen Monaten noch eine weitere Betriebsgenehmigung erteilt.

Seit Jahren klagen die Bewohner von Holzkirchen, Valley, Warngau und Weyarn über Störungen an Geräten und gesundheitliche Probleme. Deshalb gaben sie eine Studie in Auftrag, 20.000 Daten wurden nach Befragung der Bevölkerung ausgewertet und das Ergebnis im Februar 1997 veröffentlicht: Nervosität, Gliederschmerzen, Schlafprobleme, Augenprobleme, Herz-Kreislauf-Störungen, Depressionen, Kopfschmerzen, Infektionen, Muskelzuckungen, Merkschwäche, Ohrgeräusche und Allergien waren in der Nähe des Senders viel häufiger als bei der Kontrollgruppe, die nicht in Sendernähe lebte. Eine weitere Krebserfassung läuft zur Zeit. Eine Baugenehmigung für eine Erweiterung der Anlage wurde abgelehnt, diese hätte eine Verdoppelung der Feldstärken zur Folge. Die Gemeinderäte forderten die Verlegung der ganzen Sendeanlage.

Schwarzenburg

Im schweizerischen Schwarzenburg bei Bern war es ähnlich: Im Abstand von bis zu einem Kilometer zu den drei Kurzwellensendern mit je 150 Kilowatt Leistung wurden bei den dort lebenden Menschen viel mehr Gesundheitsprobleme festgestellt als bei jenen, die vier Kilometer und mehr entfernt wohnten. Es ging an erster Stelle um Schlaf- und vegetative Störungen, Nervosität, Schwäche und Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen. Diese Probleme standen in direktem Zusammenhang mit den gemessenen Feldstärken. Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern hat die Untersuchungen durchgeführt.

Grolsheim

Im rheinland-pfälzischen Grolsheim wurde am Kamin einer Gärtnerei eine D2-Sendeanlage von Mannesmann installiert. Seitdem klagen die Bewohner über schlechten Schlaf, Kopfschmerzen, Mattigkeit, Ohrenrauschen... Es kamen in Sendernähe neun Krebskranke hinzu, so Theo Bayer, Vorsitzender der Bürgerinitiative. Die Bürger wollen die Sender loswerden, Mannesmann will sie aber nicht verlegen, da die Kosten bei 200.000 Mark lägen. Die Grolsheimer schlugen vor, zu sammeln und 200.000 Mark zu spenden. Mannesmann lehnte ab mit der Begründung, so die Aussage der Bürger, "das können wir nicht, da verlieren wir unser Gesicht."

Putzige Ansicht

Auffällig ist, und das gilt für Schnaitsee, Wallerhausen, Vollersode und andere durch starke Sender belastete Standorte gleichermaßen, daß es lange keine Klagen aus der Bevölkerung gab und erst dann Probleme auftraten, als zusätzliche Mobilfunksender installiert wurden.

Vielleicht ist es die Mixtur unterschiedlicher Sender-, Frequenz- und Modulationsarten, die das Risiko ausmachen. Auffällig ist auch, daß hohe Feldstärken in Sendernähe gefunden wurden, in keinem Fall jedoch die seit 1997 gültigen Werte der Elektrosmogverordnung auch nur annähernd erreicht wurden. Damit ist der Schutz für die Industrie perfekt. Die Frage steht im Raum: Wofür haben wir sie dann, die Verordnung, wenn die Grenzwerte nirgendwo erreicht werden?

Die Grundlage für die Bewertung des biologischen Risikos elektromagnetischer Strahlung ist bei der Verordnung (26. BImSchV) nur der thermische Effekt, also die Erwärmung des Körpers oder von Körperteilen im Feld. Mit Erwärmung lassen sich aber die tatsächlich vorhandenen gesundheitlichen Probleme bei Mensch und Tier nicht erklären.

Wenn man mittelmäßig gebildeten Menschen in einigen Jahren erzählt, daß es einmal eine Bundesumweltministerin, Ämter und Wissenschaftler gab, die meinten, daß es nur die Erwärmung des Körpers ist, die das biologische Risiko elektromagnetischer Strahlung ausmacht, dann wird man über diese putzige Ansicht genauso herzhaft lachen, wie heute über jene damalige Meinung, die Erde sei eine Scheibe.

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